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Folgender Artikel erschien zuerst als Spartacist-Extrablatt am 7. November.
Donald Trumps erneute Wahl zum US-Präsidenten markiert den Todesstoß für die liberale postsowjetische Ordnung. Das amerikanische Imperium ist nicht besiegt, und der Liberalismus ist als politische Kraft nicht am Ende. Aber als die dominierende Ideologie der herrschenden Klassen des westlichen Imperialismus ist der Liberalismus tot.
2024 ist nicht 2016. Damals wurde die Wahl von Trump als Ausrutscher gesehen. Sie rief eine frenetische Reaktion der Liberalen hervor, die den Status quo und seine angeblich fortschrittlichen Werte mit aller Macht verteidigten. 2020 wurde Trump von Biden besiegt, und die populistischen Kräfte mussten weltweit als Folge der Covid-Pandemie Rückschläge hinnehmen. Diese Entwicklungen wurden in Washington, London, Brüssel, Berlin und Tokio mit einem kollektiven Seufzer der Erleichterung begrüßt: „Trump, Populismus, Covid, das war alles nur ein böser Traum.“
Doch das war es nicht. Die Präsidentschaft Bidens führte die Oberaufsicht über den fortgesetzten Zusammenbruch des liberalen Status quo, von Afghanistan über die Ukraine und Palästina bis zur innenpolitischen Situation in den USA selbst. Gerade die Partei, die angeblich globale Aufgeklärtheit verkörpert, führte die Aufsicht über den Völkermord in Gaza, das größte Verbrechen seit Generationen. Biden und seine Regierung umgab ein Hauch von einfältigem Optimismus, während ihnen militärisch, wirtschaftlich und politisch der Boden unter den Füßen entglitt.
Daher sind in allen westlichen imperialistischen Ländern die Kräfte der rechten Reaktion auf dem Vormarsch. Die noch gestern triumphierenden Liberalen werden nacheinander abserviert. Die Kamala-Begeisterung – die Hoffnung, dass eine nicht-senile Person den Status quo noch ein wenig länger am Laufen halten könnte – stellte das letzte Aufbäumen des sich dahin quälenden Liberalismus dar, das ebenso illusorisch wie kurzlebig war. Trumps Sieg am 5. November symbolisiert und bekräftigt die Niederlage des liberalen Flügels des imperialistischen Establishments.
Das kam nicht von ungefähr. Es gibt viel tiefere Ursachen für die Abkehr vom Liberalismus als Donald Trump, soziale Medien und Desinformation. Im Grunde ist dieser ideologische Wandel in der herrschenden Klasse Amerikas ein Spiegelbild der schwindenden Hegemonie der USA. Als die USA noch als die unangefochtene Weltmacht dastanden, konnten sie sich den Luxus einer liberalen Demokratie nach innen und außen hin leisten. Jetzt, da der Druck an allen Fronten zunimmt, ist der Liberalismus ein unnötiges Hindernis für die globale Vorherrschaft der USA. Unter dem Samthandschuh steckte immer die eiserne Faust. Aber jetzt ist der Handschuh zu teuer, also weg damit.
Schon vor den US-Wahlen waren die Liberalen dabei, ihre eigenen „Werte“ so schnell es nur ging über Bord zu werfen. Offene Grenzen, Völkerrecht, Trans-Rechte, Multikulturalismus, Antirassismus: Vorbei sind die Zeiten, in denen die herrschende Klasse selbst verkündete, sich für diese hohen Prinzipien einzusetzen. Vorbei sind die Tage von Trudeau, Jacinda Ardern und Obama. Jetzt ist Sir Keir Starmer das, was in herrschenden Kreisen als links gilt.
Ist die Lage hoffnungslos? Für diejenigen, die auf die Aufgeklärtheit der fortschrittlichen Eliten setzen, ist die Lage tatsächlich hoffnungslos. Die Massen als rückständig zu beschimpfen ist alles, was sie tun können, während sie sich selber auf einen Kotau vor der Reaktion vorbereiten. Aber gerade die arbeitenden Massen, auch die Millionen, die Trump unterstützt haben, machen Hoffnung.
Die Liberalen zu besiegen ist das Schlimmste, was den Kräften der populistischen Reaktion passieren kann. Jetzt müssen sie selber durch die ausweglosen Strömungen einer aus den Fugen geratenen Weltordnung navigieren. Es ist eine Sache, den tiefsitzenden Volkszorn gegen die Eliten zu richten. Eine andere ist es, die Ursache für diese Wut zu beseitigen. Trump und seine internationalen Gesinnungsgenossen werden keine andere Wahl haben, als die Arbeiterklasse aller Länder zu unterdrücken und zugrunde zu richten; letztendlich werden sich die Massen gegen sie wenden. In welche Richtung wird diese Energie gelenkt werden? Das ist die große Frage unserer Zeit.
Vor etwas mehr als 30 Jahren wurde der Kommunismus für tot erklärt und der Triumph der liberalen Demokratie über die Sowjetunion als das „Ende der Geschichte“ angekündigt. Heute weiß jeder, dass die Geschichte nicht zu Ende ist. Fast jeder weiß oder spürt, dass die liberale Demokratie vollkommen bankrott ist. Der Kommunismus wiederum ist zwar nicht tot, aber auch nicht gerade lebendig. Zersplittert, erstarrt und von der Arbeiterklasse isoliert, haben die Kommunisten einen steinigen Weg zu bewältigen. Da eine neue Periode der Reaktion anbricht, ist es unsere Aufgabe, die verlorene Zeit aufzuholen und die Arbeiterklasse auf die bevorstehenden Kämpfe vorzubereiten.
Wenn die Kräfte der revolutionären Linken sich weiterhin umsonst an die Rockzipfel der Liberalen klammern, werden sie weiterhin auf die Arbeiterklasse abstoßend wirken und ein unbedeutender Faktor bleiben. Die größte Gefahr für die Linke in der kommenden Periode ist die Erwartungshaltung, dass die Liberalen den „Widerstand“ anführen. Genauso zum Scheitern verurteilt ist der Drang bei manchen, sich von den Massen abzusondern und in abstrakte Phrasendrescherei über die Revolution zu flüchten. Diese beiden Tendenzen waren in den letzten Jahrzehnten vorherrschend, beide müssen verworfen werden. Die einzige Möglichkeit für Marxisten, zu einem lebendigen Faktor zu werden, besteht darin, die richtigen Lehren aus den letzten 30 Jahren des Scheiterns zu ziehen und der Arbeiterklasse einen Weg nach vorn zu zeigen, was einen vollständigen Bruch sowohl mit dem Liberalismus als auch mit dem Rechtspopulismus bedeutet.
In der nächsten Zeit werden zweifellos Abwehrkämpfe an der Tagesordnung sein. Während die Liberalen, die den Anspruch hatten, für die unterdrückten Gruppen einzutreten – Schwarze, Muslime, Trans-Menschen, Immigranten, Frauen –, diese im Stich lassen, müssen Kommunisten bei den Kämpfen dieser Gruppen ganz vorne dabei sein. Doch sie müssen diese Bewegungen auf stärkeren Grundlagen aufzubauen versuchen, ohne den Moralismus und die Gefühlsduselei der Liberalen und auf das Engste verbunden mit den materiellen Interessen aller Arbeiter. Letztlich wird die Arbeiterklasse der entscheidende Faktor sein. Damit die Kommunisten sie überzeugen können, müssen sie im Verlauf des Klassenkampfes beweisen, dass sie im Gegensatz zu den heutigen verräterischen Arbeiterführern ein Programm haben, mit dem die Arbeiter ihre Interessen materiell durchsetzen und ihre Befreiung erreichen können.