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Globalisierung und Freihandel, offene Grenzen und UN und WTO als US-kontrollierte Institutionen, die dem US-Imperium einen „fortschrittlichen“ Anstrich verleihen: Damit ist es jetzt vorbei. Während in den letzten Jahrzehnten andere Mächte, vor allem China, enorme wirtschaftliche Entwicklung erreicht haben, wurde die US-Wirtschaft immer mehr deindustrialisiert. US-Präsident Trump setzt jetzt den Presslufthammer an: Um ihre eigene Position als vorherrschende imperialistische Macht aufrechtzuerhalten, müssen die USA die Weltordnung, die sie aufgebaut haben, direkt angreifen und mit der zynischen Vorgaukelei von Fortschrittlichkeit à la Obama oder Biden Schluss machen.
Das machen die USA in jede Richtung – ob mit direkter Erpressung unterdrückter Länder wie Mexiko oder mit Druck und Zöllen gegen ihre imperialistischen Junior-Partner wie Deutschland. Trumps angekündigte Zölle in den letzten Wochen, mit Extraaufschlägen bei Autos, treffen die auf Export ausgerichteten deutschen Monopole besonders hart. Und der von den USA vorangetriebene Handelskrieg gegen China macht die Lage noch schwieriger für Deutschland.
Die deutschen Kapitalisten haben die letzten Jahrzehnte eine privilegierte Position im US-Imperium genossen: Sie konnten sich in Zusammenarbeit mit den USA und mit Hilfe der EU und ihres Finanzkapitals auf die Ausbeutung der Arbeiter zu Hause und der unterdrückten Länder in Europa wie Griechenland und Polen konzentrieren. Zur gleichen Zeit haben die USA die hohen Kosten für das US-Militär getragen, welches über Jahre hinweg diesem ganzen System des liberalen Status quo seine Stabilität verlieh.
Dieses gesamte bisherige Modell wollen und können die deutschen Herrscher nicht so leicht aufgeben: Sie haben im Moment keine erfolgversprechende Alternative. Das ist der Hintergrund, warum die neue CDU-SPD-Regierung versucht, sich gegen Trumps Kurs zu stellen und, für den Moment, die Politik von offenen Märkten und uneingeschränkter Unterstützung für die Ukraine fortzusetzen. Die AfD dagegen, mit ihrer weniger konfrontativen Linie Russland gegenüber sowie mit dem Versprechen von Massenabschiebungen, jedweden woken Liberalismus wegzufegen und die Repression zu verschärfen, ist mehr im Einklang mit Trump.
Auch wenn CDU-Chef Merz und SPD-Führer Klingbeil große Reden schwingen: Weder Deutschland noch die Europäische Union haben letzten Endes die wirtschaftliche oder militärische Macht, um sich frontal gegen die USA zu stellen. Trump und der US-Imperialismus werden sicher nicht alle ihre Ziele so einfach und ohne Probleme erreichen können. Aber: Ein Blick auf die Kräfteverhältnisse und die tiefe Integration in die US-beherrschte Ordnung sagt uns eindeutig, dass früher oder später Deutschland und die EU auf den Kurs der USA einschwenken müssen. Das wird bedeuten, eine Wirtschaftsordnung zu akzeptieren, in der die Vereinigten Staaten ihre Vorherrschaft viel härter durchsetzen – auf Kosten aller anderen – und die einhergeht mit einer reaktionären Offensive und verstärkter Staatsrepression im eigenen Land. Dann wird sich ein Merz, oder die SPD in der Regierung, nicht mehr halten können, und entschiedener agierende reaktionäre Fraktionen des Kapitals werden das Ruder übernehmen.
Viele Liberale und sozialistische Linke sind sehr verwirrt. Sie denken, dass man einfach zur relativen Stabilität der vergangenen Periode zurückkehren könnte oder dass Deutschland und die EU irgendwie einen unabhängigen Weg gegen die USA einschlagen könnten. Aber die Wahrheit ist: Die EU wurde gegründet mit Einverständnis und Unterstützung der USA, um Investitionen und Ausbreitung des Finanzkapitals nach Osten voranzutreiben – Deutschland und die EU sind zentrale Komponenten der US-beherrschten Weltordnung.
Deshalb ist die Idee, der Westen sei als Block erledigt, die NATO sei vorbei und die USA würden Europa jetzt Russland überlassen, vollkommen illusorisch und ein Hirngespinst! Die USA haben in Europa über 100 000 Soldaten stationiert sowie Direktinvestitionen, Wertpapiere, Immobilien usw. in Billionenhöhe. Das alles werden sie nicht so einfach aufgeben. Im Gegenteil: Die US-Imperialisten wollen die Daumenschrauben anlegen, um noch mehr Profit daraus zu ziehen. Und der deutsche Imperialismus wird darauf reagieren, mit noch mehr Druck und Angriffen auf die von ihm direkt abhängigen Länder sowie die Arbeiterschaft hier.
Wir stehen jetzt am Anfang einer Periode reaktionärer Umbrüche: Es ist die dringende Aufgabe von Sozialisten, Arbeiter und Jugendliche für die kommenden Abwehrkämpfe politisch zu bewaffnen. Statt Hysterie und Panik und der Illusion, dass wir zur vergangenen Periode zurückgehen könnten, brauchen wir ein materialistisches Verständnis der Lage, um zu verstehen, wie wir uns gegen die kommenden Angriffe verteidigen können.
Es gibt viel Wut unter Arbeitern und ein Potenzial, was wir mobilisieren können, um uns zu wehren. Wie? Uns nicht isolieren lassen, sondern zusammenstehen und uns gemeinsam verteidigen, und bei jedem Schritt im Kopf behalten, dass wir in jedem Kampf einen grundlegenden Kurswechsel brauchen – gegen die pro-imperialistische Politik der jetzigen Führung der Arbeiter in SPD, Linkspartei und Gewerkschaften, die eine Niederlage nach der anderen organisiert haben.
Kampf gegen Militarisierung
Das „Regierungsprogramm“ der kommenden CDU-SPDRegierung, das sie noch vom alten Bundestag beschließen lassen musste, besteht aus einem massiven 500-MilliardenAufrüstungspaket. Das ist eine Vorlage für riesige Angriffe auf die Arbeiter. Die enormen Summen für das Militär werden die Kapitalisten nicht nur aus den Arbeitern pressen wollen – die Militarisierung bedeutet auch die Herrschaft der Bosse zu stärken, die tagein, tagaus die Arbeiter ausbeuten und aus Ländern wie Ungarn, Türkiye oder Griechenland enorme Profite saugen. Der Kampf gegen Militarisierung, und als Teil davon auch gegen die in der Zukunft drohende Einführung der Wehrpflicht, kann und muss ein wichtiger Ansatzpunkt für defensive Kämpfe sein.
Seit Beginn des Ukrainekriegs verkaufen die Spitzen von SPD und Gewerkschaften den Arbeitern die Lüge, dass Unterstützung der Interessen der deutschen Imperialisten und ihrer Regierung – wie mit Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel – angeblich positiv für die Arbeiter sei und mit sozialen Verbesserungen einhergehen könnte. Das Resultat: Verwüstung und Tod in der Ukraine, Völkermord an den Palästinensern im Nahen Osten, und hier eine immer weiter fortschreitende Verarmung.
Die Linkspartei sagt, man braucht Geld nicht für Panzer, sondern für Bildung. Natürlich brauchen wir massive Investitionen in Bildung und das Gesundheitssystem! Aber das müssen wir uns in Konfrontation gegen den Kurs der Regierung und gegen die Interessen der deutschen Kapitalisten, durch harten Klassenkampf, erkämpfen. Genau das lehnen aber die Führungen von Linkspartei und Gewerkschaften ab, weil sie grundlegend den Kurs der Regierung und den deutschen Imperialismus unterstützen. So bleiben die Versprechen der Linkspartei von nennenswerten sozialen Verbesserungen Augenwischerei, um Arbeiter und Jugendliche ruhig zu halten.
Während sich die LINKE in Parteibeschlüssen oft gegen Waffenlieferungen stellt, steht die Führung aber auf der Seite der Regierung für eine Unterstützung von Ukraine und Israel und benutzt, wie Sören Pellmann in seiner Rede im Bundestag, das Horror-Märchen von der „russischen Bedrohung“. Deshalb hält die Parteiführung auch ihre schützende Hand über offene Vertreter von Aufrüstung und Waffenlieferungen wie Ramelow und Konsorten. Nur ein wirklicher Kampf gegen diese Politik wird auch in der Lage sein, eine starke Bewegung gegen Aufrüstung und für Arbeiteraktionen gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und nach Israel aufzubauen.
Insbesondere unter Arbeitern und größeren Teilen der Bevölkerung im Osten gibt es einen tiefen und fortschrittlichen Wunsch nach Frieden mit Russland und Abscheu gegen die grün-liberalen Erzählungen, Russland müsse mit allen Mitteln in der Ukraine besiegt werden. Aber wie können diese Wünsche gebündelt und die Arbeiter dafür mobilisiert werden? Der Widerspruch bei den sozialistischen Linken ist eklatant: Sie beschwören Opposition gegen den Kurs von immer mehr Aufrüstung unter Merz-Klingbeil ... aber sie lehnen es ab, den Kampf gegen die NATO – das zentrale Militärbündnis, in dessen Rahmen die Militarisierung stattfindet – in das Zentrum zu rücken, um ja keine Pro-NATO-Gewerkschaftsführer zu verschrecken. Genau dies müssen wir aber tun, um voranzukommen.
Kampf für starke Gewerkschaften und gegen alle Spaltungen
In den letzten Monaten haben die Angriffe auf Arbeiter weiter an Fahrt aufgenommen, von VW, Privatisierung im Hamburger Hafen bis zur fortschreitenden Deindustrialisierung. Jeder Gewerkschafter weiß aus harter eigener Erfahrung, dass die Einheit der Kollegen gegen die Bosse allererste Bedingung ist, um sich wehren zu können. Es war gerade eins der Charakteristiken der letzten Jahrzehnte, dass sich die deutschen Kapitalisten eine goldene Nase verdient haben, indem sie mit EU und Euro ganz Ost- und Südosteuropa ausgepresst haben und gleichzeitig hierzulande massiv Privatisierungen, Auslagerungen und Aufspaltungen vorangetrieben haben. Durch Leiharbeit, Werkverträge und einen Flickenteppich von Tarifverträgen wurde die Einheit der Arbeiter immer weiter geschwächt. Oft wurden diese vielfachen Spaltungen direkt von SPD und Linkspartei mit Unterstützung oder Duldung der Gewerkschaftsführer durchgesetzt.
Dieses System von Spaltung hat immer mehr Frustration, Verarmung und Wut unter Arbeitern hervorgerufen, die sich in den letzten Wochen bei den wichtigen Streiks von Arbeitern der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) und Müllabfuhr, bei Post, Flughäfen und im öffentlichen Dienst im ganzen Land Bahn gebrochen haben. Ein anschauliches Beispiel ist der seit Jahren andauernde Kampf der Arbeiter von Charité Facility Management (CFM) in Berlin, die immer wieder in Streiks gehen, um eine Angleichung ihrer Bedingungen an die der anderen Arbeiter in der Charité zu erkämpfen – d. h. TVöD für alle! Es war ein rot-roter SPD-LP-Senat von Berlin, der 2006 die Aufspaltung ursprünglich durchgedrückt hatte, wobei zum großen Teil Frauen und migrantische Arbeiter in die schlechteren Bedingungen des CFM-Tarifs hinein gezwungen werden.
Gegen die Krankenhausleitung, die mit allen Kniffen, Tricks und Gerichtsurteilen gegen die CFM-Streiks vorging, haben die Arbeiter sich nicht unterkriegen lassen und sind immer wieder in den Streik getreten. Aber anstatt die Gelegenheit zu nutzen, alle Charité-Arbeiter gemeinsam zu mobilisieren und die Bedingungen aller zu verbessern, hat die ver.di-Führung bei den Streiks der letzten Wochen die Kollegen von CFM isoliert gelassen. Sie hat den potenziell sehr machtvollen gemeinsamen Kampf der Arbeiter aufgespalten, die Kämpfe vereinzelt und, ob bei BVG oder öffentlichem Dienst, immer wieder in die Schlichtung – und damit in die Niederlage – geschickt. In der neuesten Vereinbarung akzeptiert ver.di sogar „freiwillige“ 42 Wochenstunden Arbeit!
Die ver.di-Führung hat auf Teufel komm raus versucht, eine geeinte Konfrontation zu vermeiden. Warum? Ein vereinter Streik aller Arbeiter im öffentlichen Dienst würde das Land lahmlegen, wäre eine Kampfansage an die „Sozialpartnerschaft“ und würde direkt die Regierung in Bredouille bringen, genau das, was sie vermeiden will.
Schlechtere Arbeitsbedingungen, wie bei CFM, werden von Bossen als Drohung und Dolch an der Kehle aller Arbeiter benutzt. Das heißt, ein gemeinsamer Kampf ist nicht eine Frage von moralischer Verpflichtung gegenüber schlechter gestellten Kollegen, sondern eine Notwendigkeit zur Verteidigung aller!
Überall, wo es Abstimmungen gibt innerhalb von ver.di wie bei BVG und TVöD, müssen wir unter Kollegen mobilisieren, um die giftigen Schlichtungsergebnisse zurückzuweisen. Das müssen wir aber verbinden mit dem Kampf, eine Opposition innerhalb der Arbeiterbewegung aufzubauen gegen den Kurs der jetzigen Führer als Vorbereitung der kommenden Kämpfe. Es gibt unzählige Oppositionsgruppen innerhalb der Gewerkschaften: Schließen wir uns zu einer schlagkräftigen Opposition gegen die jetzige Führung zusammen! Für einen Kurswechsel in den Gewerkschaften!
Verteidigt die Palästinenser!
Ein zentraler Weg, wie die Führer von SPD, Linkspartei und Gewerkschaften gerade in den letzten ein bis zwei Jahren Arbeitern und Jugendlichen Regierungshörigkeit eintrichtern wollen, ist ihre unverbrüchliche Unterstützung für Israel. Diese funktioniert als Rammbock, um alle zu unterdrücken. Jeder, der sich solidarisch mit dem gerechten Kampf der Palästinenser für nationales Überleben und Befreiung erklärt, wird als Gegner und auf dreist zynische Weise als „Antisemit“ markiert.
Seit dem 7. Oktober 2023 und Israels völkermörderischem Krieg gegen Gaza wurden in Deutschland mehrere Dutzend Arbeiter aus ihren Jobs geschmissen, weil sie für Palästina demonstriert oder sich kritisch gegen Israel geäußert haben. Es sollen mit den #Berlin4 jetzt sogar Aktivisten ausgewiesen werden, ohne auch nur den geringsten rechtlichen Vorwand einer gerichtlichen „Verurteilung“. Das ist die Spitze des Eisbergs einer andauernden anti-muslimischen Hexenjagd und der Abschiebepolitik. Es ist notwendig für die Gewerkschaften, diese vom Staat unterdrückten Schichten der Arbeiterklasse zu verteidigen – um unsere Reihen zu stärken für die kommenden Angriffe auf alle.
Heute sind es Palästina-Aktivisten, oft mit muslimischem Hintergrund, die vom Staat terrorisiert werden; als nächstes wird er gegen Arbeiter und kritische Gewerkschafter vorgehen, die sich gegen die immer schärferen Angriffe stellen oder gegen Aufrüstung, Privatisierungen und andere Angriffe kämpfen. Um in eine bessere Position zur Verteidigung unserer Interessen zu kommen, ist es im ureigenen Interesse der Arbeiterbewegung, gegen diese Repression anzugehen. Internationale Solidaritätskampagnen (wie für Erik Helgeson, siehe Seite 10) sind wichtig und müssen genutzt werden, um Verbindungen zu Arbeitern in anderen Ländern zu schmieden.
Viele Gewerkschafter wollen gegen diese politischen Verfolgungen vorgehen – und unter Druck der Basis äußern sich sogar führende Gewerkschafter ab und zu kritisch gegen die Staatsrepression. Jedes Anzeichen von gewerkschaftlichen Protesten müssen wir aufgreifen und dafür kämpfen, sie in konkrete Solidaritätsaktionen umzuwandeln!
Aber uns muss klar sein, dass wir nicht vorankommen, ohne gegen die Pro-Israel-Führung der Gewerkschaften anzugehen. Im neuesten Tarifvertrag von ver.di hat die Gewerkschaftsführung sogar eine „Regelabfrage“ beim Verfassungsschutz festgeschrieben: insbesondere eine Bedrohung muslimischer Minderheiten und von Arbeitern, die palästina-solidarisch sind, kann aber darüber hinaus gegen jeden kritischen Arbeiter verwendet werden. Der beste Weg, uns zu stärken, ist, die vom Staat angegriffenen und isoliertesten Schichten der Arbeiter und Unterdrückten zusammen zu verteidigen und uns so in eine bessere Position zu bringen, um gemeinsam den kommenden Angriffen zu begegnen.