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Dieser Brief vom 24. November wurde uns von Genossen des Antiimperialistischen Pols in Der Linken Neukölln übergeben.
Lieber Genosse Ferat Koçak,
deine Kandidatur für den Bundestag wird von vielen Linken und Palästina-Aktivisten positiv aufgenommen. Auch wir denken, dass deine Kandidatur ein Hebel sein könnte, um den Kampf gegen Imperialismus und für Palästina voranzubringen. Du hast angekündigt, im Wahlkampf für einen Waffenstillstand und gegen den Völkermord in Gaza einzutreten. Viele deiner richtigen Positionen und Aktionen stehen klar im Widerspruch zur Linie der Parteiführung, die auf der Seite des deutschen Imperialismus, der NATO und Israels steht. Wie wir schon auf der Mitgliederversammlung der Linken Neukölln am 16. November erklärten, musst du dich jetzt entscheiden zwischen deinen richtigen Positionen und der Loyalität zur Parteiführung. Was soll dein Wahlkampf sein: eine linke Opposition, die nur gegen die pro-imperialistische und pro-zionistische Führung der Linken aufgebaut werden kann – oder aber ein linkes Feigenblatt für den Kurs der Führung?
Beim Linke-Parteitag in Halle hätte die Chance bestanden, den Kurs der Partei umzudrehen – aber dort hast du nicht für eine linke Opposition und nicht für eine klare pro-palästinensische Position gekämpft. Du warst maßgeblich daran beteiligt, den Kompromiss-Antrag beim Bundesparteitag in Halle durchzubringen und den Frieden in der Partei nicht zu gefährden – und hast sogar grünes Licht dafür gegeben, den Antrag für Solidarität mit dem Neuköllner Genossen Ramsis Kilani zurückzuziehen, der auf Initiative der pro-zionistischen Hetzer mit Parteiausschluss bedroht ist. Auch in deiner Rede hast du alle kontroversen Fragen und das Thema Palästina komplett ausgeklammert.
Schon bei der Neuköllner Mitgliederversammlung am 22. September fand eine Aussprache über den Zustand der Partei und den Kurs der Linken Neukölln statt. Wir Unterstützer des Antiimperialistischen Pols in der Linken hatten einen Antrag eingereicht (siehe Seite 6), der die antiimperialistischen und pro-palästinensischen Kräfte in der Linken dazu auffordert, den schönen Worten endlich Taten folgen zu lassen und den Kampf aufzunehmen: gegen die Pro-Imperialisten in den eigenen Reihen, gegen den NATO-Kurs und die Sanktionen und gegen die anti-palästinensische Staatsrepression, insbesondere zur Verteidigung von Samidoun und der Islamischen Zentren. Er wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Auch du hast nicht für den Antrag gestimmt. Als in einem Diskussionsbeitrag sogar die Repression gegen die Islamischen Zentren und die imperialistische Aggression gegen den Iran gerechtfertigt wurden, hörte man kein Wort von dir. Auch von den zahlreichen Unterstützern von marx21, die den Bezirksverband politisch dominieren, kam kein Pieps dagegen, obwohl sie sich sonst für Palästinenser und Muslime einsetzen.
Die Zustimmung zu diesem Antrag – der nicht mehr und nicht weniger fordert als einen Kampf gegen die NATO und für Palästina – hätte zweifelsohne eine harte Konfrontation mit der Parteispitze nach sich gezogen. Und genau dieser Konfrontation gehst du und geht der Vorstand der Linken Neukölln immer wieder aus dem Weg (siehe auch „Welchen Weg vorwärts für die Palästina-Bewegung?“, Seite 26). Stattdessen wurde ein Antrag verabschiedet, der keinerlei Kritik am Kurs der Partei enthält. Als Vorbild für deinen Neuköllner Wahlkampf dient die Kampagne von Nam Duy Nguyen aus Leipzig, der bei der Landtagswahl in Sachsen ein Direktmandat geholt hat. Nam Duy verlor in seiner Kampagne kein Wort über Gaza und den Ukrainekrieg, seine ganze Kampagne war vollkommen akzeptabel für den rechten sächsischen Landesverband – und bescherte diesem schließlich den Wiedereinzug in den Landtag.
Dieser Kompromiss-Linie bist du auch am 16. November treu geblieben, weshalb wir als einzige gegen dich gestimmt haben. Der Kampf für die Freiheit Palästinas erfordert einen politischen Kampf gegen die pro-zionistischen Führer der Arbeiterbewegung – auch in der Linken. Wenn du bereit bist, diesen Kampf aufzunehmen, werden wir deinen Wahlkampf mit voller Kraft unterstützen – und auch alle anderen pro-palästinensischen und antiimperialistischen Linken dazu auffordern. Wenn nicht, dann muss die linke, antiimperialistische Opposition in Neukölln auch gegen deine Kandidatur aufgebaut werden.