https://iclfi.org/pubs/spk/228/krise-revolutionaren
Dieser Artikel ist ein Vorabdruck aus der nächsten Ausgabe des englischsprachigen Spartacist, eine Erklärung des Internationalen Sekretariats der IKL an eine linke Konferenz im Mai 2025.
Die internationale revolutionäre Bewegung steckt seit vielen Jahren in einer tiefen Krise. Diese Krise ist im Wesentlichen nicht das Ergebnis objektiver Umstände und schon gar nicht persönlicher Konflikte oder organisatorischer Methoden. Die Krise existiert, weil die marxistische Bewegung ihre Aufgaben im Lichte der Realitäten der internationalen Situation nicht korrekt festgelegt hat.
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurde die internationale Position der Vereinigten Staaten hegemonial. Globalisierung, die Europäische Union, Freihandel und Privatisierung entwickelten sich unter der Ägide der USA, auf Kosten der Arbeiter und unter dem ideologischen Deckmantel des Liberalismus. Daher war es notwendig, gegen den US-Imperialismus und den Einfluss des Liberalismus zu kämpfen. Die revolutionäre Linke ist schwach, weil sie diese Aufgabe noch nicht einmal erkannt hat.
Die IKL ist von der postsowjetischen politischen Desorientierung nicht verschont geblieben. Unsere Organisation wurde von aufeinanderfolgenden internen Krisen erschüttert, und ihre Interventionen im Klassenkampf waren steril und sektiererisch. Uns zeichnet heute aus, dass wir versucht haben, die Ursprünge unserer Krise zu verstehen und die Lehren, die wir daraus gezogen haben, in der Praxis anzuwenden.
Heute entwickelt sich die Weltlage sprunghaft weiter. Trump hat die Maske des Liberalismus abgestreift und verfolgt eine aggressive und offen reaktionäre Politik, um dem relativen Niedergang der Vereinigten Staaten entgegenzuwirken. Es liegt an den Revolutionären, klare Antworten auf die großen Probleme unserer Zeit zu geben.
Marxismus kontra Dogmatismus
Allzu oft wird das marxistische Denken durch abstrakte Formeln ersetzt, die von der historischen Entwicklung und der Dynamik des Klassenkampfes völlig abgekoppelt sind. Dies ist vor allem bei den großen Konflikten in der Welt der Fall.
Anhand einer Reihe willkürlich ausgewählter Fakten wird bestimmt, ob wir einen „imperialistischen Staat“, einen „nicht-imperialistischen Staat“ oder einen „Arbeiterstaat“ vor uns haben. Hat man sich einmal für ein Etikett entschieden, ist kein weiteres Nachdenken mehr nötig; man kann sich schnell eine mathematische Formel zurechtlegen: imperialistischer Staat + nicht-imperialistischer Staat = Defätismus. Und das gilt als Marxismus!
Viele behaupten, Leninisten zu sein, vergessen aber die politischen Überlegungen hinter Lenins Analyse. Als er auf dem interimperialistischen Charakter des Ersten Weltkriegs bestand, tat er dies nicht aus Dogmatismus, sondern um die politische Einheit des Proletariats zu fördern. Zu seiner Zeit war die Welt unter einer Handvoll Kolonialreiche aufgeteilt, die die Mehrheit der Völker und Nationen unterdrückten. Die Einheit der Unterdrückten war unmöglich, solange die Arbeiter in den imperialistischen Ländern an der Seite ihrer eigenen Bourgeoisie kämpften, um deren Recht auf Unterdrückung anderer Nationen zu verteidigen.
Damals wie heute muss die Einheit der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie die wichtigste Überlegung sein, die eine marxistische Analyse der Welt leitet. In der Tat ist es genau diese Überlegung, die es der internationalen revolutionären Avantgarde ermöglichen wird, ihre eigenen Spaltungen zu überwinden. Die Wahrheit ist immer konkret, lassen wir also leere Formeln und Abstraktionen beiseite und stellen wir die Aufgaben des Proletariats in den Rahmen der historischen Entwicklung des Imperialismus.
Imperialismus seit 1945
Aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs schufen die Vereinigten Staaten eine neue Weltordnung. Die alten Kolonialmächte spielten bald keine wirklich unabhängige Rolle mehr auf der internationalen Bühne und wurden zu zweitrangigen Partnern in einer kapitalistischen Welt, die vom US-Giganten dominiert wurde.
Die Zerstörung der UdSSR im Jahr 1991 hat das Gleichgewicht der internationalen Kräfte grundlegend verändert, nicht aber das Bündnis zwischen den imperialistischen Mächten. Die EU wurde mit Zustimmung und Unterstützung der Vereinigten Staaten gegründet, um die Ostexpansion des Finanzkapitals zu fördern. In ähnlicher Weise arbeiteten Japan, Australien und die USA in Asien zusammen, um den Kontinent auszubeuten.
Heute wird die Welt immer noch vom amerikanischen Imperium und seinen Nachkriegsinstitutionen beherrscht. Neokoloniale Länder werden durch Schulden ausgeplündert, die in US-Dollar fällig sind und vom US-Militär garantiert werden. Das internationale Kräfteverhältnis hat sich sicherlich verändert. Aber die Welt ist nicht neu aufgeteilt worden. Es gibt keine neuen imperialistischen Mächte. Wir leben immer noch in einer Welt, die von der Nachkriegszeit und dem Zusammenbruch der UdSSR geprägt ist.
Jeden Tag zeigt Trump, dass die Vereinigten Staaten ihre Vormachtstellung nicht aufgeben werden, ohne einen gnadenlosen Kampf gegen ihre Rivalen und die Unterdrückten der Welt zu führen. Zu glauben, dass die Hegemonie der USA bereits gebrochen wurde, ohne Krieg, ohne Krise, spiegelt eine liberal-pazifistische Sicht der Geschichte wider. Eine „friedliche“ wirtschaftliche Entwicklung verändert ständig das internationale Kräftegleichgewicht, aber eine imperialistische Ordnung entsteht und stirbt durch Eisen und Blut.
Der Krieg in der Ukraine
Der Krieg in der Ukraine ist das Ergebnis der amerikanischen Überdehnung. Seit 1991 hat sich die NATO ständig erweitert, nicht Russland. Dies bedeutet keineswegs, dass Russland in der Ukraine einen gerechten Krieg führt. Russland versucht, die Ukraine zu beherrschen, und die daraus resultierende nationale Unterdrückung kann die Beziehungen zwischen russischen und ukrainischen Arbeitern nur vergiften. Es stimmt, dass die Niederlage der Ukraine eine Niederlage für die Vereinigten Staaten sein wird. Aber diese Niederlage betrifft nicht direkt das US-Militär. Die Vereinigten Staaten zeigen bereits, dass sie bereit sind, die Ukraine aufzugeben, eine Vereinbarung mit den Russen zu treffen und ihre Ressourcen gegen China zu konzentrieren – eine vorhersehbare und reaktionäre Entwicklung.
Es ist völlig legitim, dass die Ukrainer ihre Unabhängigkeit verteidigen. Aber es ist nicht legitim, dafür zu kämpfen, pro-russische Regionen wieder unter die Kontrolle Kiews zu bringen. Die nationale Einheit für dieses chauvinistische Ziel und das Bündnis mit dem westlichen Imperialismus verleihen den ukrainischen Kriegsanstrengungen einen reaktionären Charakter. Außerdem untergräbt diese Strategie die nationale Verteidigung der Ukraine.
Internationalistische Einheit erfordert:
- Zurückweisung des westlichen Imperialismus
- Gegenseitige Garantie des Rechts auf Selbstbestimmung
- Opposition gegen die russische und ukrainische Bourgeoisie
- Verbrüderung und revolutionären Defätismus
China
Viele halten China für eine imperialistische Macht. Aber China unterdrückt keine Nation außerhalb seiner Grenzen! Seine Investitionen im Ausland hängen vollständig von den durch die Vereinigten Staaten geschaffenen Institutionen ab. Ob in der Ukraine, in Palästina oder bei den verschiedenen afrikanischen Konflikten, China spielt eine konservative Rolle. Die politische Instabilität auf der internationalen Bühne ist nicht auf chinesischen Expansionismus zurückzuführen, sondern auf den US-Imperialismus, der versucht, seine Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, indem er China erstickt.
Einige revolutionäre Parteien sind der Meinung, dass der Kapitalismus in China nie abgeschafft wurde, während andere glauben, dass es eine allmähliche Restauration des Kapitalismus ohne Konterrevolution gegeben habe. Lassen wir die Kategorien für einen Moment beiseite und schauen uns die Fakten an:
- Im Jahr 1949 befreite ein Bauernaufstand China von der imperialistischen Unterdrückung und vertrieb die chinesische Bourgeoisie, die nach Taiwan floh.
- Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) führte die Revolution auf Grundlage eines bürokratischen stalinistischen Programms an.
- Nach dem Zusammenbruch der UdSSR verfolgte die KPCh eine Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung unter Beibehaltung der staatlichen und politischen Struktur.
Mussten Arbeiter die Errungenschaften der Chinesischen Revolution von 1949 verteidigen? Ja!
Hätten sie die Politik der KPCh unterstützen sollen? Nein!
Gibt es heute in China etwas zu verteidigen? Ja!
Die chinesischen Arbeiter haben jedes Interesse daran, die Vereinigten Staaten zu bekämpfen, die China unterwerfen und seine Wirtschaft zerstören wollen. Sie haben auch ein berechtigtes Interesse daran, den chinesischen Staat zu verteidigen, der in der Revolution geschmiedet wurde, die zu einer in der Geschichte nie dagewesenen wirtschaftlichen Entwicklung geführt hat. Aber sie müssen sich auch der KPCh entgegenstellen, die den Kapitalisten versöhnlerisch entgegenkommt und die Errungenschaften der Revolution untergräbt.
Das Beispiel der UdSSR zeigt, welche Katastrophe eine kapitalistische Konterrevolution nach sich zieht. Wir können es uns nicht leisten, dass sich eine solche Katastrophe wiederholt!
Befreiung Palästinas
Der völkermörderische Krieg Israels ist ein Krieg der nationalen Unterdrückung. Der palästinensische nationale Befreiungskampf ist ein gerechter Kampf. Dies abzulehnen bedeutet eine grobe Kapitulation vor dem Imperialismus und dem Zionismus.
Die Befreiung Palästinas kann jedoch nicht mit einer bürgerlich-nationalistischen Strategie gewonnen werden. Die Taktik und Politik der Hamas sind kontraproduktiv für die nationale Befreiung Palästinas.
Was wir brauchen, ist ein Programm, das nationale Befreiung und proletarischen Internationalismus vereint – mit anderen Worten, das Programm der permanenten Revolution.
- Der US-Imperialismus ist die hauptsächliche reaktionäre Kraft in der Region.
- Es kann keine nationale Befreiung Palästinas ohne die Zerstörung des zionistischen Staates geben.
- Die Unterdrückung der israelischen Arbeiter wird durch die Unterdrückung der Palästinenser noch verstärkt.
- Einheit des Proletariats kann nur durch die gegenseitige Achtung der nationalen Rechte geschmiedet werden.
- Bürgerlicher Nationalismus ist ein Hindernis für den Kampf gegen den Imperialismus.
Analyse und Programm
Analytische Debatten spiegeln Klassenverhältnisse wider. Der Hauptfehler zeitgenössischer marxistischer Analysen spiegelt den wichtigsten politischen Fehler wider: ihre Versöhnung mit dem US-Imperialismus in seiner liberalen Form. Ebenso problematisch ist es, den Aktionen Russlands, der KPCh oder dem Nationalismus einen progressiven Charakter zuzuschreiben. Gegen diese beiden Pole ist ein unabhängiger proletarischer Weg notwendig. Diese Alternative muss im Kampf gegen die derzeitigen Führer der Arbeiterbewegung geschmiedet werden, die überall die Arbeiter in die Niederlage führen und die Interessen „ihrer“ nationalen Bourgeoisie verteidigen.