QR Code
https://iclfi.org/pubs/spk/228/usa

Dieser Artikel wurde übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 1183, Dezember 2024, Zeitung unserer Schwesterorganisation Spartacist League/U.S.

Donald Trump wurde als Präsident wiedergewählt, und alle fragen sich: Was nun? Um die Aufgaben von Sozialisten in dieser neuen Periode zu bestimmen, müssen wir verstehen, wie es dazu kam und was die Wahl bedeutet.

Aufstieg und Niedergang der liberalen Weltordnung

Die von den USA angeführte liberale Weltordnung wurde auf den Trümmern der Sowjetunion errichtet. Der Untergang dieses nicht-kapitalistischen Landes machte nicht nur die USA zur unumstrittenen Supermacht der Welt, sondern auch bisher unerschlossene Märkte und Ressourcen für Ausplünderung zugänglich, auch in China. Um ihren Vorteil zu maximieren, trieben die US-Imperialisten die Globalisierung mit aller Macht voran: Sie verlagerten die Produktion ins Ausland und dehnten ihren Einflussbereich bis in den letzten Winkel der Erde aus. Die NATO wurde bis an die Grenzen Russlands erweitert, und immer wieder schrieben IWF und Weltbank die Regeln je nach den Interessen der Wall Street um.

Die internationale Ausbreitung der Tentakel des US-Imperialismus wurde ideologisch gerechtfertigt, indem der liberale Kapitalismus zum Inbegriff der menschlichen Zivilisation erklärt wurde. Die USA und ihre Verbündeten beherrschten die Welt im Namen liberaler Prinzipien wie „Freiheit und Demokratie“ und „Schutz der Wehrlosen“. Mit derartigen Mantras ließ sich bequem kaschieren, wie die USA ihre Vorherrschaft durchsetzten, ihr Kapital ins Ausland pumpten und unterdrückte Länder strangulierten.

Die liberale Weltordnung schien unverwüstlich zu sein, aber die vorübergehende Erholung des Imperialismus konnte seinen unter der Oberfläche gärenden Verfall nicht aufhalten. Genau die Kräfte, die durch die US-Hegemonie in Gang gesetzt wurden, haben diese ununterbrochen unterminiert. Die beispiellose Durchdringung mit US-Kapital hat das Wachstum des Welthandels, die Industrialisierung neokolonialer Länder und die Entwicklung Chinas vorangetrieben – und dabei die Produktionsbasis der USA ausgehöhlt, die Gesellschaft noch mehr verrotten lassen und das wirtschaftliche Gewicht der USA insgesamt verringert. Um ihre Stellung zu festigen, müssen die US-Imperialisten die derzeitige Dynamik umkehren. Dazu müssen sie jedoch die Grundlage der Globalisierung zerstören durch Erhöhung der Zölle, verstärkten Druck auf die Neokolonien und Konfrontation mit China. Das steckt hinter dem aktuellen Konflikt innerhalb der herrschenden Klasse der USA.

Risse tun sich auf

Die Finanzkrise von 2008 führte zu den ersten ernsthaften Rissen in der globalen Ordnung. Der arbeitenden Bevölkerung, besonders Familien von Schwarzen und Latinos, wurde großes wirtschaftliches Leid zugefügt. Viele gingen angesichts ausufernder Zahlungen für Subprime-Hypotheken [eine Art Hochrisiko-Darlehen] bankrott oder hatten sprunghaft steigende Schulden für Arztkosten am Hals. Millionen von ordentlich bezahlten Arbeitsplätzen wurden vernichtet und durch Zeitarbeit, Niedriglohn- und Gelegenheitsarbeit ersetzt. Um ihr System zu retten, half die herrschende Klasse den Banken, die als „too big to fail“ [zu groß, um zu scheitern] galten, aus der Klemme und griff auf Gelddrucken und wilde Spekulationen zurück – womit sie die Voraussetzungen für einen noch größeren Zusammenbruch in der Zukunft schuf.

Auf der politischen Bühne tat die Bourgeoisie etwas, das manche für unmöglich hielten: einen Schwarzen ins Weiße Haus zu bringen. Barack Obama war die lebende Verkörperung liberaler Prinzipien. Sein Wahlkampf stand unter dem Motto „Hoffnung und Wandel“, wozu auch die Beendigung des zutiefst unpopulären Krieges im Irak gehörte, der das Ansehen der USA trübte. Und er machte Reklame für die falsche Vorstellung, die Wahl eines schwarzen Präsidenten wäre der Beweis dafür, dass die ach so fortschrittlichen USA eine post-rassische Gesellschaft seien.

Einen Schwarzen an die Spitze des US-Imperialismus zu setzen kostete die herrschende Klasse nichts und war genau das Richtige, um die Massen (und die Bosse) zu beruhigen, bevor der Präsident die Rettung der Autoindustrie und der Banken auf dem Rücken der Arbeiterklasse arrangierte und Millionen von Einwanderern abschob. Die arbeiterfeindlichen Angriffe wurden von Gewerkschaftsführern unterstützt, die im Namen der Rettung von Arbeitsplätzen Niedriglohnstufen und Tarifkürzungen durchsetzten. Obamas Wahl kam nicht etwa deshalb zustande, weil die Bourgeoisie zur Stützung ihrer Herrschaft die Unterdrückung der Schwarzen nicht mehr brauchte. Ganz im Gegenteil, „progressive“ Identitätspolitik entsprach dem, was die Bourgeoisie damals brauchte.

Aber der Finanz-GAU beschleunigte auch Tendenzen gegen den liberalen Status quo. Die verheerenden wirtschaftlichen Folgen waren der Nährboden für politische Unzufriedenheit und die Entstehung von Populismus als einer Alternative. Innerhalb der herrschenden Klasse kam es zu einer Kontroverse darüber, wie der US-Imperialismus am besten gestützt wird: Volldampf weiter mit dem Liberalismus, der lange Zeit so gute Dienste geleistet hat, oder der Versuch mit etwas anderem. Die beiden bürgerlichen Hauptparteien kämpften intern und miteinander um die Frage, wer die Partei des Status quo sein und wer mit ihm brechen würde.

Bei der Nominierung der demokratischen Präsidentschaftskandidaten 2016 war Hillary Clinton das Gesicht des Parteiestablishments, während Bernie Sanders gegen das Establishment antrat, nachdem er durch die unerbittlichen neoliberalen Angriffe nach 2008 in den Vordergrund gerückt war. Seine populistische Rhetorik gegen die „Milliardärsklasse“ und sein Versprechen von „Medicare for all“ [Gesundheitsversorgung für alle] zogen eine Menge Leute an. Er vertrat jene Liberalen, die der Meinung waren, dass der Status quo gegen weiteren Verfall neue Schutzmaßnahmen braucht. Aber diese Option wäre für das liberale Establishment eine viel zu radikale und teure Veränderung gewesen. Warum sich auf „Medicare for all“ einlassen, was ein hübsches Sümmchen kosten würde, wo doch die Partei wieder den Obama-Weg einschlagen konnte? Die erste Frau im Präsidentenamt würde nichts kosten, ein paar „progressive“ Punkte einbringen und die Räder des Liberalismus für einen weiteren Tag am Laufen halten.

Bei den Republikanern kam es zur Machtprobe zwischen Donald Trump und dem Parteiestablishment. Trump war ein Spiegelbild derjenigen in der herrschenden Klasse, nach deren Einschätzung die Zeit des Liberalismus vorbei war und die den US-Imperialismus auf einen anderen Kurs bringen wollten: Rechtspopulismus, Protektionismus und Grenzschließungen. Trump wusste, dass ein Teil der Klasse, die er vertrat, gegenüber ihren Konkurrenten, wie z. B. China, allmählich ins Hintertreffen geriet und dass etwas getan werden musste. Seine Lösung, die sich in seinem Verhalten und der Missachtung liberaler Normen widerspiegelte, war ein Bruch mit allem, was die vorangegangene Periode gekennzeichnet hatte.

Die bloße Möglichkeit, dass dieser Typ vielleicht als Kandidat antritt, erschreckte das republikanische Establishment und Liberale in allen Ländern. Trump verkörperte alles, was sie hassten. Der Liberalismus ist aalglatt und heuchlerisch, der Freund, der lächelt, bevor er einem in den Rücken fällt. Trump hingegen war ungehobelt und versprach, von vorne zuzustechen. Seine beleidigenden Wutanfälle und sein vulgäres Gerede wie „ihnen an die Muschi greifen“ standen im krassen Gegensatz zu der liberalen Fassade von Fürsorge für die Unterdrückten.

Der Konflikt innerhalb der herrschenden Klasse schwappte auf die Präsidentschaftswahl 2016 über, was sich in den Wahlkampfslogans der Kandidaten niederschlug: Trumps „Make America Great Again“ und Clintons „America is already great“. Doch Clintons Scheitern war für die liberale Ordnung noch keine entscheidende Niederlage. Tatsächlich war die gesamte erste Präsidentschaft Trumps ein Schlagabtausch zwischen den Kräften des Status quo und dem Weißen Haus, was sie vielleicht zum chaotischsten Politabenteuer der jüngeren Geschichte machte. Jeden Tag kam ein neuer Skandal ans Licht und ein weiterer Regierungsbeamter wurde entlassen. Das Einreiseverbot gegen Muslime, die Grenzmauer und Trumps Reaktion auf Charlottesville waren ein Affront gegen liberale Werte und schmälerten noch mehr Amerikas Position als Leuchtfeuer von Diversität und Toleranz. Dann brach die Pandemie aus und brachte weiteres wirtschaftliches Elend und den freundlichen Rat, Bleichmittel zu injizieren.

Der Anti-Trump-„Widerstand“ mobilisierte die Fußsoldaten für den Fraktionskampf zwischen den „woken“ liberalen Demokraten und dem Präsidenten. Die Liberalen sahen in Trump eine schlimme Bedrohung für das von ihnen errichtete Reich und hatten nicht vor, kampflos unterzugehen. Bei den Wahlen haben sie den Arbeitern und Unterdrückten nichts versprochen, aber gleich danach begonnen, sich als die größten Verteidiger von Minderheiten aufzuspielen. Ob sie nun Tränen für Kinder in Käfigen an der Grenze vergossen oder in Kente-Stoffe gekleidet für Black Lives Matter (BLM) auf die Knie fielen, sie ließen nichts unversucht, um genügend Leute hinter sich zu scharen, die den „Faschisten“ Trump rausschmeißen und das Weiße Haus zurückerobern wollten.

Unfähig und unwillig, tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaft und an der Ausrichtung des US-Imperialismus vorzunehmen, griffen Trumps bürgerliche Gegner zum einzigen Mittel, das ihnen zur Verfügung stand: Liberalismus. Sie starteten einen moralischen Kreuzzug für symbolische Maßnahmen und predigten immer aggressiver liberale Werte, während für echte Entlastung die materielle Grundlage immer weniger vorhanden war. Deshalb gingen sie mitunter bis zum Äußersten und versprachen zum Beispiel, der Polizei die Mittel zu streichen oder sich für Migranten einzusetzen, die sich für eine Operation zur Geschlechtsanpassung entschieden hatten.

Mit vorgetäuschter Fürsorge für die Unterdrückten wollten die Liberalen die Tatsache verschleiern, dass sich für die große Mehrheit die Lage nur verschlechterte und dass die herrschende Klasse zu ihrer eigenen Rettung die Arbeiterklasse immer stärker auspresste. Je mehr die Liberalen auf symbolische Maßnahmen drangen, während sich die gesamtwirtschaftliche Lage verschlechterte, desto mehr untergruben sie die Wirksamkeit ihrer eigenen Methoden und leisteten so die Vorarbeit dafür, dass die Arbeiterklasse sich völlig von ihnen abwendete.

Wo war die Linke?

Viele weiße Arbeiter, die von der Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage genug hatten, wählten 2016 Trump. Viele andere, vor allem Schwarze, hielten zu den Demokraten aus Furcht vor einer reaktionären Entwicklung. Diese Wut musste in richtige Bahnen gelenkt werden, und dabei musste jeder gezielt verteidigt werden, den die Regierung im Visier hatte.

Die Aufgabe der Linken bestand darin, den Kampf für einen besseren Lebensstandard und die Gegenwehr gegen Angriffe auf Minderheiten gemeinsam voranzutreiben. Für den Erfolg dieses Kampfes war die Klassenunabhängigkeit von der Bourgeoisie entscheidend. Dazu mussten sich die Linken an den verschiedenen „Widerstands“-Bewegungen mit dem Ziel beteiligen, den Bankrott des Liberalismus aufzudecken und den Arbeitern und Unterdrückten den Weg nach vorn zu weisen. Das heißt deutlich zu machen, dass alle wirklichen Verbesserungen nur durch einen Konfrontationskurs gegenüber den Interessen der herrschenden Klasse – ob liberal oder nicht – erreicht werden können, denn diese ist für die Unterdrückung jeglicher Art verantwortlich und profitiert von ihr.

Die Perspektive hätte darin bestehen müssen, durch Intervenieren in diese Bewegungen das Hindernis, die liberalen Ketten, zu sprengen und eine Spaltung entlang von Klassenlinien zu bewirken. In der Frauenbewegung hätte dies bedeutet, sich gegen die bürgerlichen #MeToo-Feministinnen zu wenden. Und in der BLM-Bewegung gegen die antirassistischen Liberalen. Die Verteidigung von Immigranten konnte nur in Opposition zu den liberalen Verteidigern einer US-Hegemonie mit „offenen Grenzen“ vorankommen. In allen diesen Fällen mussten die Kämpfe zu einem Bruch mit dem Liberalismus führen und mit den materiellen Interessen der Arbeiterklasse verbunden werden.

Doch das passierte nicht. Stattdessen hat die Linke die liberale Hysterie aufgegriffen, indem sie unter anderem gegen „Trumps Basis“ hetzte. Mit diesem liberalen Gift werden weiße Arbeiter, die Trump wählten, als unverhohlene Anhänger weißer Vorherrschaft abgeschrieben und alle ihre Sorgen über die sich verschlechternden Lebensbedingungen abgetan. Das Resultat davon war eine Verschärfung der Rassenspaltung: Diese Arbeiter wurden weiter in die Arme der Reaktion getrieben und die Schwarzen in den Schoß der Demokraten aus Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit, weiße Arbeiter für den Kampf zur Befreiung der Schwarzen zu gewinnen. Und die Linke unterstützte lautstark jede liberale Bewegung – z. B. die Frauenmärsche, Sanctuary Cities (Zufluchtsstädte, in denen keine Abschiebungen stattfinden) und BLM – alles nur um Trump und den „Aufstieg des Faschismus“ zu stoppen. Die meisten Linken klammerten sich an Sanders, AOC (Alexandria Ocasio-Cortez) und die Squad (eine Gruppe linker Demokraten im Repräsentantenhaus) und schürten Illusionen in diese Demokraten, deren Rolle darin bestand, dem liberalen Status quo linke Flankendeckung zu geben und die Wut auf ihre Partei in Grenzen zu halten.

All diese Aktivitäten waren eine Kapitulation vor den Strömungen, die versuchten, die bestehende Ordnung am Leben zu erhalten. Anstatt einen unabhängigen Weg für die Arbeiter und Unterdrückten aufzuzeigen, bezog die Linke beim Fraktionskampf der Imperialisten eine Seite als Anhängsel der Liberalen. Schließlich wurde die Linke mitverantwortlich gemacht für die Verteidigung der sich verschlechternden materiellen Bedingungen des Status quo, der die Arbeiter über Jahre hinweg niedergedrückt hat. Das konnte die Werktätigen nur noch weiter nach rechts treiben.

Die Folgen der Kapitulation der Linken zeigen sich in der aktuellen reaktionären Gegenbewegung gegen Migranten, einem Gegenschlag, der durch liberales Moralisieren angeheizt wurde und bei dem viele Liberale mitmachen, die noch unter Trump die Öffnung der Grenzen forderten und sie heute schließen wollen. Für jeden, der sich als Sozialist versteht, war es ein Verrat, irgendeinen Aspekt des liberalen „Widerstands“ unterstützt zu haben. Wer die Bedürfnisse der Arbeiter erfüllen und Minderheiten verteidigen will, muss den Liberalismus ablehnen. Diese zentrale Lehre aus der ersten Trump-Präsidentschaft muss der Leitfaden für die gegenwärtigen Kämpfe sein.

Der Todesstoß für die liberale Weltordnung

2020 eroberten die Demokraten mit Joe Biden das Weiße Haus zurück. Doch die Parteilinke der Demokraten hatte sich zunächst hinter Sanders gestellt, dessen zweite Kandidatur zum Oval Office noch populärer war als seine erste. Unter Trump war die Lage so schlimm geworden, dass Sanders mit seiner populistischen Rhetorik bei den Werktätigen wieder ankam und manche bürgerlichen Kreise durchaus bereit waren, dem US-Imperialismus etwas mehr Sozialdemokratie zukommen zu lassen. Letztendlich wollte jedoch die Mehrheit der herrschenden Klasse und übrigens auch der Arbeiterklasse mitten in der COVID-Pandemie keine drastischen Veränderungen, sondern vielmehr eine „Rückkehr zur Normalität“.

Die Trump-Jahre waren eine politische Zirkusvorstellung wie aus einem Fiebertraum unter Drogeneinfluss. Aber vor allem die Pandemie gab wieder den Ausschlag zugunsten der Politiker des Status quo. Die herrschende Klasse war auf der Suche nach erprobten und zuverlässigen Führungspersönlichkeiten, die den Sturm meistern können. Biden ritt auf der mächtigen Welle von „nationaler Einheit“ zum Sieg und drängte die Kräfte der rechten Reaktion vorübergehend in die Defensive.

Biden hatte versprochen, die Pandemie zu beenden, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und Amerikas Ansehen wiederherzustellen. Er stand für eine Rückkehr zum liberalen Weg und verkündete: „Als Präsident werde ich dafür sorgen, dass die Demokratie wieder zum Leitmotiv amerikanischer Außenpolitik wird, nicht um einen moralischen Kreuzzug zu starten, sondern weil es in unserem aufgeklärten Eigeninteresse liegt.“ Was die Liberalen, die damals die Rückeroberung des Weißen Hauses feierten, nicht wussten: Die Präsidentschaft Bidens sollte der Todeskuss für die liberale Weltordnung sein. Einmal im Amt, machten die Demokraten ebenso wie Trump unbekümmert weiter mit dem Gelddrucken, um wettzumachen, was die Bourgeoisie mit ihrer Reaktion auf die Pandemie in der Wirtschaft angerichtet hatte. Die dadurch erreichte kurzfristige Stabilität wurde bald durch eine galoppierende Inflation und eine Verschärfung der sozialen und politischen Polarisierung wieder zunichte gemacht.

In der Anfangszeit seiner Präsidentschaft versprach Biden, die Infrastruktur und die Produktionsbasis des Landes wiederherzustellen, und stellte sich hin als der „gewerkschaftsfreundlichste Präsident seit FDR“ [Franklin D. Roosevelt]. Dementsprechend schlug er Maßnahmen vor wie „Bidenomics“, Build Back Better und PRO Act. Es sah so aus, als hätten die Imperialisten den Typ gefunden, der endlich alles wieder ins Lot bringen könnte – bis die Realität zuschlug. Mit der Biden-Agenda war es vorbei, als ihm militärisch, wirtschaftlich und politisch der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Eine Konfrontation mit China, wie sie geplant war, konnte sich Biden nicht leisten, denn er wurde in eine militärische Krise nach der anderen verwickelt. Der vermurkste Abzug aus Afghanistan war sinnbildlich für die schwindende Macht der USA.

Dann brach der Krieg in der Ukraine aus. Der von der NATO provozierte Einmarsch Russlands war die erste direkte Herausforderung für die USA in der jüngeren Geschichte. Die USA mobilisierten so gut es ging ihre Ressourcen und Streitkräfte, um Stärke zu zeigen, konnten Russland aber nicht aufhalten und offenbarten stattdessen Schwäche. Die NATO verliert nun den Krieg, während Russland die Ukraine verwüstet.

Die US-Bourgeoisie hat neben der Eindämmung Russlands kaum Interesse an der Ukraine. Die Verfeindung mit dem Putin-Regime hat den US-Imperialismus in seiner Fähigkeit eingeschränkt, wichtigere Ziele zu verfolgen, wie die Konfrontation mit China. Doch ein Rückzug zum jetzigen Zeitpunkt wäre ein weiteres Signal der Schwäche und würde den liberalen Werten zuwiderlaufen, mit denen die Außenpolitik der USA verhüllt wird. Wie kann es sein, dass die USA – der große Verteidiger der Demokratie gegen den bösen Diktator Putin – die Ukraine im Stich lässt? Wie konnten die US-Machthaber die Erweiterung der NATO rechtfertigen, wenn nicht mit dem Vorwand, die Wehrlosen zu schützen? Dieser Stellvertreterkrieg hat die USA Milliarden gekostet. Wenn die Ukraine und die NATO nun zwangsläufig verlieren, wird dies der US-Hegemonie einen Schlag versetzen.

Der Krieg in der Ukraine ist bei der amerikanischen Bevölkerung äußerst unpopulär, die von der Inflation, mit angeheizt durch den Krieg, überrollt wird. Milliarden werden nach Übersee geschickt, um einen Krieg zu finanzieren, der die große Mehrheit nicht interessiert, während sich viele Menschen keine Lebensmittel mehr leisten können. Aber die demokratische Regierung erzählt ihnen, dass alles in Ordnung sei und es der Wirtschaft besser gehe denn je, also kein Gejammer mehr, sondern Unterstützung für die Ukraine. Eine hervorragende Methode, um die Öffentlichkeit von einem militärischen Abenteuer zu überzeugen!

Im Fall der Palästinenser kollidierten erneut hochtrabende liberale Ideale mit der materiellen Realität. Seit über einem Jahr haben die Demokraten – die Partei, die angeblich die globale Aufklärung verkörpert – beim Völkermord in Gaza die Oberaufsicht. Ihre Unterstützung für Israel ist unumstößlich, Völkermord hin oder her, denn der zionistische Staat ist der Vorposten des US-Imperialismus im Nahen Osten. Aber es ist nicht so einfach, „Demokratie“ und „Schutz der Wehrlosen“ zu predigen, wenn man die Bomben liefert, die auf palästinensische Babys abgeworfen werden. Dieser Widerspruch löste eine Protestbewegung empörter Jugendlicher aus, die verlangten, dass die USA mit ihrer Heuchelei aufhören und sich an ihre liberalen Werte halten. Umfassende Repression brachte einige Aktivisten dazu, nach Antworten jenseits der Campus-Zeltlager zu suchen, aber viele andere ließen sich demoralisieren und verstummten. Für diejenigen, die den Völkermord stoppen wollen, besteht der erste Schritt darin, mit der liberalen Politik zu brechen, die diesen Kampf behindert.

Bidens vier Jahre erwiesen sich als eine Katastrophe für die arbeitende Bevölkerung und beschleunigten den Verfall der US-Hegemonie. Nachdem er von seiner Partei gezwungen worden war, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen – weil es nicht sehr ermutigend war, einen Mann als das Gesicht des US-Imperialismus zu haben, der schon mit einem Fuß im Grab steht –, stürzte sich Kamala Harris in den Kampf. Sie war die letzte sterbende Hoffnung des liberalen Status quo, und sie musste eine schwere Niederlage einstecken.

Diesmal ist es nicht so wie 2016. Damals hielt man Trumps Sieg für einen Ausrutscher, und es formierte sich „Widerstand“, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Die Demokraten wehrten sich mit allem, was sie hatten. Jetzt aber sind sie damit beschäftigt, von den liberalen Werten einen nach dem anderen über Bord zu werfen, gerade die Gruppen, deren Vorkämpfer sie angeblich waren, im Stich zu lassen und sich von den wirtschaftlichen Grundlagen der Globalisierung – z. B. Freihandel und offene Grenzen – zu verabschieden.

Je mehr die Demokraten auf den Liberalismus setzten, als dieser an seine materiellen und ideologischen Grenzen stieß, desto stärker wurden die ihm feindlich gesinnten Kräfte. Die herrschende Klasse konsolidiert sich nun im Rahmen eines radikalen Strategiewechsels zur Durchsetzung ihrer Interessen. Die Bedingungen, die den Liberalismus zu ihrer vorherrschenden Ideologie machten, sind vorbei und werden in absehbarer Zeit nicht zurückkehren. Die liberale Maske gleitet hinunter und es zeigen sich die Reißzähne, die sich die ganze Zeit darunter verbargen.

Die Arbeiterklasse wendet sich von den Liberalen ab

Die durch Inflation und jahrelange Zugeständnisse schwer angeschlagene Arbeiterklasse zeigt wachsende Unruhe und Bereitschaft zum Klassenkampf. Doch bisher geht diese Kampfbereitschaft nicht einher mit einer Führung, die dazu fähig ist, das Blatt zugunsten der Arbeiter zu wenden und ihre Forderungen durchzusetzen, sondern mit einer, die im Rahmen des liberalen Status quo nur Linderung anstrebt. Das Problem ist, dass man die Bedingungen der Arbeiterklasse nicht qualitativ verbessern kann, solange man das Ziel der herrschenden Klasse der USA respektiert, die Welt zu beherrschen.

Pro-kapitalistische Gewerkschaftsführer wie der sich kämpferisch gebende Chef der UAW [United Auto Workers] Shawn Fain haben mit ihrer Weigerung, der herrschenden Klasse eine Krise zu bescheren, Streiks unterminiert und dienen auch sonst dem Liberalismus als dessen wichtigste Verbindung zur Arbeiterbewegung. Fain selbst, der sich seine Rolle beim Autostreik 2023 zunutze macht, wurde zu einem prominenten Bauernfänger für die Biden/Harris-Kampagne. Dennoch behandelt die Linke Fain so, als wäre er etwas Besseres als die übrige Gewerkschaftsbürokratie, während er in Wirklichkeit nur ihr unverblümter Verfechter liberaler Werte ist. Weit davon entfernt, gerade jetzt für eine neue Führung mit einer gegen den Liberalismus gerichteten Klassenkampfstrategie zu kämpfen, bejubelt die Linke Fain oder drängt ihn, den von ihm eingeschlagenen Weg noch ein bisschen weiter zu gehen – was für den Kampf der Arbeiter und die Sache des Sozialismus nur eine Katastrophe bedeuten kann.

Die Arbeiterklasse hat auf Trumps Wiederwahl mit ein wenig Achselzucken reagiert, gepaart mit einem Gefühl der Angst davor, welche Richtung die USA einschlagen werden. Viele Arbeiter glauben, es werde ihnen unter Trump etwas besser gehen, während andere vor dem, was er vorhat, Angst haben. Bemerkenswert ist, dass diesmal mehr Schwarze und Latinos Trump gewählt haben als zuvor. Obwohl diese Wähler von dem republikanischen Kandidaten persönlich angewidert sind, haben sie genug von den moralischen Einschüchterungen, gebrochenen Versprechen und wirtschaftlichen Zumutungen der Liberalen. Derart drangsaliert hat die Arbeiterklasse einen Rechtsruck vollzogen.

Liberale haben den rechten Reaktionären unter anderem dadurch Auftrieb gegeben, dass sie einen Keil zwischen die Arbeiterklasse und unterdrückte Gruppen getrieben haben. Sie predigen Toleranz und spielen gleichzeitig verschiedene Sektoren der Unterdrückten beim Gerangel um immer geringere Ressourcen gegeneinander aus. Diese Kombination von Schlägen kann nur zu Verbitterung und Spaltung führen. So werden Migranten unter der Stadtverwaltung von Demokraten in die Viertel von Schwarzen und anderen Nicht-Weißen hineingezwungen, wo man in ihnen Konkurrenten um die verfügbaren Brosamen sieht. Arbeiter sehen, wie Migranten einige mickrige staatliche Leistungen erhalten, während sie selbst kaum über die Runden kommen, und wenn sie etwas über ihre Lage sagen, werden sie von den Liberalen als rassistisch oder intolerant abgestempelt. Die vorgeblichen Sozialisten, jederzeit versöhnlerisch gegenüber dem Liberalismus, haben keine wirkliche Kampfansage an dieses „Teilen und Herrschen“ vorgeschlagen – dass die unabhängige Arbeiterbewegung die Migrationskrise auf fortschrittliche Weise lösen muss – und so auch selber die arbeitende Bevölkerung an die Rechte ausgeliefert.

Trump 2.0: Der Mann der Zölle

Trump kam mit dem Versprechen an die Macht, die wirtschaftlichen Missstände des Landes durch protektionistische Politik zu beheben, und plant, alle Waren, die aus China, Mexiko und Kanada in die USA eingeführt werden, mit hohen neuen Zöllen zu belegen. Der selbsternannte „Tariff-Man“ sieht in Importsteuern eine mächtige Waffe, um die einheimische Fertigungsindustrie zu sanieren und andere Länder zu zwingen, nach der Pfeife des US-Imperialismus zu tanzen. Doch tatsächlich sind solche Steuern ein deutliches Zeichen für den Niedergang des US-Imperiums. Wenn die USA ihr wirtschaftliches und politisches Gewicht in Form von protektionistischen Maßnahmen ausspielen, kann dies zwar in bestimmten Fällen kurzfristig ihre Lage verbessern, aber letztendlich kann dieser Weg – ebenso wie der Freihandel – die grundlegenden Probleme des Landes nur verschärfen.

Die USA sind nicht irgendein in den Kinderschuhen steckendes kapitalistisches Land, das seine Industrie von Grund auf entwickeln muss, sondern die vorherrschende imperialistische Weltmacht. Wenn ein Industriezweig durch Zölle floriert, wird ein anderer schwer getroffen – besonders einer mit fortschrittlicherer Technik und besserer Anpassung an den Weltmarkt. In seiner ersten Amtszeit verhängte Trump massive Zölle, um die E-Autoindustrie der USA vor den weitaus billigeren, technisch fortschrittlicheren E-Autos aus China zu schützen; China reagierte entsprechend gegen die US-Agrarindustrie, was deren Exporte drastisch reduzierte. Das Problem lässt sich so auf den Punkt bringen: Vom Imperialismus geförderte Handelsschranken bremsen die internationalen Produktivkräfte und verstärken den parasitären Charakter der US-Wirtschaft. Ein System von Zöllen würde, falls es durchgesetzt wird, auch zu Preissteigerungen führen, sowohl für die inländische Produktion als auch für die Verbraucher.

Auf internationaler Ebene würden aggressive Versuche der USA, ein größeres Stück vom Kuchen für sich zu ergattern, alle möglichen Spannungen verschärfen. Zum Beispiel würden dadurch politische Tendenzen in anderen Ländern verstärkt, die Schirmherrschaft des US-Imperialismus loszuwerden, und es würde die wirtschaftliche Schlinge um Neokolonien wie Mexiko enger ziehen. Unmittelbar nach Trumps Sieg verlor der Peso stark an Wert, und Trump hat seitdem versprochen, Mexiko vom ersten Tag an mit einem Pauschalzoll von 25 Prozent zu belegen, um dessen Regierung zu weiteren Grenzkontrollen für den US-Imperialismus zu erpressen. Dies lässt eine Verschärfung der nationalen Unterdrückung Mexikos und des Elends seiner hart arbeitenden Massen erwarten.

Auch die amerikanische Arbeiterklasse wird von diesem Protektionismus nicht profitieren. Entgegen den Behauptungen von Trump und den Gewerkschaftsbürokraten kommen durch den Protektionismus keine gut bezahlten Industriearbeitsplätze wieder zurück. Vielmehr werden die US-Bosse, um Industrie nach der Rückverlagerung gewinnbringend betreiben zu können, von den Arbeitern weitreichende Zugeständnisse verlangen. Die Verwüstung der Wirtschaft durch die Kapitalisten macht deutlich, dass die Arbeiter den täglichen Kampf für die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage unbedingt mit dem Kampf für den Wiederaufbau der Industrie unter Arbeiterkontrolle verbinden müssen, d. h. mit einem allgemeinen Kampf gegen die US-Herrscher für qualifizierte Arbeitsplätze.

Dieser Kampf wäre eine Unterstützung für die mexikanischen Massen, da er der Verschärfung imperialistischer Unterjochung im Wege steht. Umgekehrt würden sich die Arbeiter in den USA durch eine Verteidigung Mexikos gegen die Einschüchterung und Beherrschung durch die USA mehr Spielraum verschaffen für ihre eigenen Kämpfe. Ein antiimperialistisches Bündnis des Proletariats beider Länder ist unerlässlich, um die Kampfkraft gegen den gemeinsamen Feind zu maximieren. Um ein solches Bündnis zustande zu bringen, muss man sowohl gegen diejenigen in der Arbeiterbewegung kämpfen, die Trumps Chauvinismus übernehmen, als auch gegen diejenigen, die wie Liberale den Chauvinismus anprangern, ohne eine Alternative anzubieten.

Trump 2.0: Der Herr der Abschiebungen

Trumps Rückkehr ist ein großer Sieg für die Kräfte der rechten Reaktion. Er hat bereits Massenabschiebungen versprochen, und mit Angriffen auf Transmenschen und andere Minderheiten ist zu rechnen. Der jüngste Zustrom von Einwanderern kollidierte mit geringerer Verfügbarkeit von Ressourcen, was eine weitverbreitete Gegenreaktion hervorrief. Viele liberale Demokraten haben es aufgegeben, so zu tun, als würden sie sich für Einwanderer interessieren, und wetteifern jetzt mit Trump in Sachen Grenzsicherung. Andere Liberale setzen im Kampf gegen Abschiebungen auf die Bosse in Branchen, die stark darauf angewiesen sind, mit nicht registrierten Einwanderern schlecht bezahlte Knochenjobs zu besetzen. Solche „Verteidigung“ von Einwanderern hat die Aufrechterhaltung des unterdrückerischen liberalen Status quo zur Voraussetzung – und ist obendrein eine Wahnvorstellung. Die Bosse der Agrar- und Fleischindustrie würden von einer immigrantenfeindlichen Schreckensherrschaft genauso profitieren wie andere oder sogar noch mehr. Eine extrem benachteiligte Arbeiterschaft, die außerhalb des Arbeitsplatzes zu einem Schattendasein verurteilt ist, ist für Superausbeutung prädestiniert.

Einige Arbeiter haben die Illusion, Trumps Abschiebepläne würden die Unternehmer dazu zwingen, ihre Löhne zu erhöhen, um qualifizierte Arbeitskräfte anzulocken und zu halten. Aber das Vorhandensein einer Schicht ständig in Angst lebender Arbeiter untergräbt nur die Fähigkeit der Arbeiterklasse insgesamt, den Bossen das zu entreißen, was sie braucht. Massenabschiebungen geben den Kräften der Unterdrückung Rückenwind und treiben eingewanderte Arbeiter und ihre Nachkommen dahin, dass sie den Bossen keinen Ärger machen. Der Kampf sollte nicht darum gehen, dass in den USA geborene Arbeiter gegen eingewanderte Arbeiter um die vom kapitalistischen Tisch gefallenen Krümel kämpfen, sondern dass stattdessen in den USA geborene und eingewanderte Arbeiter gemeinsam gegen die Bosse kämpfen, um wirkliche Errungenschaften zu erzielen und die Bedingungen für die gesamte Klasse zu verbessern. Die Bosse wollen eine verängstigte und gespaltene Arbeiterschaft, die untereinander streitet und sich nicht mit den Bossen anlegt. Der Kampf für volle Staatsbürgerrechte für alle Einwanderer würde die Kampfkraft der Arbeiterklasse stärken.

Bei den letzten großen Klassenkämpfen wie den Streiks der ILA-Hafenarbeiter [International Longshoremen’s Association] und der Boeing-Flugzeugmechaniker waren einige der kämpferischsten Arbeiter Trump-Anhänger. Die Gewerkschaftsbürokratie, einschließlich der Führungen dieser beiden Gewerkschaften, hat unermüdlich daran gearbeitet, den offensichtlichen Kampfgeist der Klasse in das Gefängnis des Status quo umzuleiten. Wohin die Kampfbereitschaft in Zukunft gelenkt wird, hängt von der Fähigkeit der Linken ab, in die lebendigen Kämpfe einzugreifen und eine alternative Führung aufzubauen, die entschlossen ist, gegen die rechte Reaktion und den Liberalismus die Interessen der gesamten Arbeiterklasse zu vertreten. Die Arbeiterklasse wird nur dann wieder Fuß fassen können, wenn sie gegen beide Flügel der herrschenden Klasse zurückschlägt.

Trump wird wohl gegenüber der Arbeiterklasse eine von zwei Vorgehensweisen wählen: sie zu erdrücken oder die Bestechung ihrer obersten Schicht zu versuchen. Im Moment gibt er sich als ein Mann des Volkes. Er hat sich aber auch mit Milliardären wie Elon Musk umgeben, die die Gewerkschaften zerschlagen wollen. Dieser Balanceakt kann nicht lange dauern. Massenentlassungen von Bundesbediensteten stehen bevor, da Trump die Streichung „verschwenderischer Staatsausgaben“ vorbereitet. Dieser Marsch zu staatlicher Effizienz wird an eine Grenze stoßen. Der am stärksten aufgeblähte und verschwenderische Teil des Bundeshaushalts sind zweifellos die Verteidigungsausgaben. Das ist der Preis dafür, ein Imperium zu regieren.

Trump hat sich als Kriegsgegner präsentiert und geschworen, den Krieg in der Ukraine sofort nach seinem Amtsantritt zu beenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, ist verschwindend gering, denn es kommt darauf an, ob Russland einem Abkommen tatsächlich zustimmt. Russland hat kein Interesse an einem Rückzug, wenn es eindeutig am Gewinnen ist. Für einen Deal müsste Trump Russland die Ukraine auf dem Silbertablett servieren und vielleicht sogar den Rückzug der NATO von der russischen Grenze zugestehen. Dies würde eine unglaubliche Schwäche der USA demonstrieren – was Trump wohl kaum schlucken würde.

Wohin geht die Demokratische Partei?

Seit den Wahlen grübeln die Demokraten darüber nach, was falsch gelaufen ist. Die meisten räumen ein, die Arbeiterklasse verloren zu haben, und Konsens besteht inzwischen darüber, von den „Woke“-Themen – die sowohl bei der herrschenden Klasse als auch bei der Arbeiterklasse auf immer mehr Ablehnung stoßen – wegzukommen und sich „Alltags“fragen zuzuwenden. Das bedeutet, jede Erwähnung besonderer Unterdrückung zu vermeiden.

Um wieder um die Macht kämpfen zu können, versuchen die Demokraten sich von dem Liberalismus reinzuwaschen, durch den sie für die Massen so erbärmlich aussahen. Es wird die Demokraten einige Zeit kosten, bis sie herausfinden, wie man erneut den Arbeitern und Unterdrückten Sand in die Augen streuen kann, bevor man ihnen das Fell über die Ohren zieht. Die Demokratische Partei steht vor einem Personalumbau – Dinosaurier wie Nancy Pelosi gehören wohl schon der Vergangenheit an.

Die DSA [Democratic Socialists of America] und andere Sozialdemokraten wollen, dass die Demokratische Partei auf den Weg von FDR zurückkehrt. In Anbetracht der Weltlage ist dies sicher möglich. Wenn eine imperialistische Macht unter dem wirtschaftlichen Druck ihrer Rivalen ins Hintertreffen gerät, besteht die natürliche Tendenz darin, zu staatlichen Maßnahmen zu greifen, um direkte Mittel zur eigenen Stärkung einzusetzen. Ein großer Teil der Linken stellt diesen Etatismus als schon an sich fortschrittlich und als einen Segen für die Arbeiterklasse dar. Doch der Zweck wäre in Wirklichkeit, die Bevölkerung und die Wirtschaft im Einklang mit den Interessen der imperialistischen Herrscher zu reglementieren für die Vorbereitung auf einen Großmachtkonflikt und einen Krieg mit China. Der von den Demokraten initiierte CHIPS Act war ein Schritt in diese Richtung – ein staatlicher Eingriff, um Amerikas High-Tech-Autarkie und seine militärischen Systeme durch Wiederbelebung der heimischen Halbleiterindustrie zu stärken.

Bidens Gesetz zur COVID-Hilfe war ein erheblich umfangreicheres staatlich gefördertes Konjunkturprogramm, das von der DSA-Zeitschrift Jacobin als „Wiedereinführung staatlicher Hilfen“ gepriesen wurde. Doch diese Zahlungen wurden von der Inflation, die durch das Hilfspaket ausgelöst wurde, um ein Vielfaches aufgefressen, und das alles nur, um der Bourgeoisie die Haut zu retten, nachdem ihre Lockdowns die Wirtschaft zum Stillstand gebracht hatten. Trotzki schrieb: „Etatismus bedeutet – gleichgültig, ob in Mussolini-Italien, Hitler-Deutschland, Roosevelt-Amerika oder im Frankreich Léon Blums – Einmischung des Staates auf der Grundlage des Privateigentums mit dem Ziel, es zu retten. Welches die Regierungsprogramme auch sein mögen, der Etatismus führt unweigerlich dazu, die Verluste des faulenden Systems von den Schultern der Starken auf die der Schwachen abzuwälzen“ (Verratene Revolution, 1936).

Die DSA selbst waren im vergangenen Jahr durch den Widerspruch, innerhalb der Demokratischen Partei für Sozialismus einzutreten, weitgehend gelähmt. Einerseits war Biden bei der Arbeiterklasse weitgehend verhasst, und der Völkermord in Gaza schlug hohe Wellen; andererseits war er der Kandidat der Partei. Um sich etwas abzugrenzen, war es bei DSAlern der letzte Schrei, gegen Genocide Joe zu schimpfen und eine Arbeiterpartei zu fordern. Als Harris die Wahlkampfzügel in die Hand nahm, war das ein Geschenk des Himmels. Auch wenn sie politisch nicht von Biden zu unterscheiden und für die Verbrechen der Regierung gleichermaßen verantwortlich war, so war sie immerhin nicht senil und eine schwarze Frau, also nicht er. Die linken Parteigruppierungen der DSA, die formal für einen Bruch mit den Demokraten eintreten, tauchten unter, und die meisten DSA-Mitglieder hielten sich die Nase zu und wählten Harris, um Trump zu stoppen.

Vieles deutet darauf hin, dass die DSA nach den Wahlen einen sozialdemokratischen Schwenk vollziehen. Nicht nur gibt Jacobin der Demokratischen Partei den Rat, diesen Weg einzuschlagen, sondern auch einige DSA-Abgeordnete führen Kampagnen, die sich auf die Lebenshaltungskosten konzentrieren und den besonders unterdrückten Gruppen nichts zu bieten haben. Bei den DSA ist es jetzt, mit sicherem Abstand zu den Wahlen, wieder Mode, die Notwendigkeit einer Arbeiterpartei lautstark zu verkünden. Diese Aufrufe werden jedoch ins Leere laufen, wenn man nicht dafür kämpft, die Abgeordneten der Demokraten jetzt hinauszuwerfen und einen klaren Bruch mit der gesamten Demokratischen Partei zu vollziehen. Diese imperialistischen Giftschlangen wurden gerade erst von der Mehrheit der Werktätigen entschieden zurückgewiesen; das Ziel darf nicht sein, die Arbeiter in die Schlangengrube zurückzuholen, statt revolutionär gesinnte DSAler da herauszuholen. Dann bekäme das Projekt, eine Arbeiterpartei aufzubauen, echten Schwung, zumal sich nach der Amtseinführung wahrscheinlich noch mehr Risse bei den DSA auftun werden.

Die Linke und die Wahlen von 2024

Die Wahlen waren eine hervorragende Gelegenheit für die Linke, die Arbeiterklasse weiter gegen den liberalen Status quo auszurichten und sie auf die eigene Seite zu ziehen. Aber wieder einmal haben erklärte Marxisten kläglich versagt. Einige standen abseits, riefen „Es gibt nichts zu wählen“ und erhoben leere Forderungen nach einer Arbeiterpartei, während andere ungeniert liberalen Politikern hinterherliefen.

Zu letzteren gehören die Socialist Alternative (SA – verbunden mit der Sozialistischen Alternative, SAV) und ihre Abspaltung Workers Strike Back (WSB), die für Jill Stein von der Green Party Wähler zusammentrommelten und dabei behaupteten, eine Unterstützung für diese bürgerliche Ökoliberale, die nicht die Absicht hat, eine Arbeiterpartei aufzubauen, sei der beste Weg, um ... eine Arbeiterpartei aufzubauen! Eher hätten sie Blut aus einem Felsen pressen können – und damit der Sache der Klassenunabhängigkeit, der Grundvoraussetzung für eine Arbeiterpartei, weit weniger Schaden zugefügt. Nach den Wahlen, bei denen Stein nur ein halbes Prozent der Stimmen erhielt, verschwanden die Grünen in der Versenkung und erweisen sich, wie üblich, als völlig irrelevant. Davon unbeirrt setzt SA ihre Hoffnungen zur Gründung einer Arbeiterpartei nun auf zwei der größten Einpeitscher für Biden in der Gewerkschaftsbürokratie: Shawn Fain und die liberale „Widerstands“-Ikone Sara Nelson. Man kann nur raten, an wen sich SA als Nächstes klammert, aber man kann darauf wetten, dass es kein Sozialist sein wird, der für eine Alternative zum Status quo kämpft.

Bei den Wahlen hatten die Arbeiter eine klare Möglichkeit zur Abstimmung: die Präsidentschaftsliste der Party for Socialism and Liberation (PSL), die nicht nur gegen Demokraten und Republikaner, sondern auch gegen den Kapitalismus antrat. Diese Liste war ein Instrument, die Gesellschaft entlang von Klassenlinien zu polarisieren und den Arbeitern und Unterdrückten eine reelle Chance zu geben, ihre Kämpfe gegen jeden reaktionären Kandidaten zu richten, der die Wahl gewinnen würde. Wir haben die PSL kritisch unterstützt und bei ihrem Wahlkampf geholfen, aber keine andere marxistische Tendenz ist diesem Beispiel gefolgt. Während die Kandidaten der PSL rund 160 000 Stimmen erhielten – was für Sozialisten nicht zu verachten ist –, spielten sie für den Wahlausgang keine Rolle.

Hauptpunkt unserer Kritik an der PSL war ihre Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Liberalismus, welche ihre Kampagne unterminierte. Werfen wir einen Blick auf ihre Intervention in die pro-palästinensische Bewegung. Um den Völkermord zu stoppen und Palästina zu befreien, muss es in den USA einen antiimperialistischen Kampf geben. Aber die PSL propagierte jede pro-imperialistische liberale Illusion: Sie ließ auf ihrer Palästina-Konferenz die Demokratin Rashida Tlaib auftreten, unterstützte das Vorhaben von Demokraten, bei der Präsidentschaftswahl „ungültig“ zu stimmen, und bejubelte UN-Resolutionen für einen Waffenstillstand. Ihr Hinterherlaufen hinter den Liberalen und ihre Weigerung, eine Klassenlinie zu ziehen, sind Hindernisse für die Mobilisierung des notwendigen antiimperialistischen Kampfes.

Als letzten opportunistischen Schritt wenige Tage vor den Wahlen unterstützte die PSL in bestimmten Bundesstaaten (den unabhängigen) Cornel West und Jill Stein, um wiederum deren Unterstützung in anderen Staaten zu bekommen. Die Bildung von Koalitionen mit liberalen Politikern widerspricht allem, was irgendwie mit Klassenunabhängigkeit zu tun hat, und behindert nur die Kämpfe der Arbeiterklasse. Während wir dafür kämpften, dass die Linke den Wahlkampf der PSL als eine proletarische Alternative unterstützt, kämpften wir auch zusammen mit PSLern dafür, dass ihre Kampagne nicht länger durch Versöhnlertum gegenüber liberaler Politik unterminiert wird, um so für den Aufbau einer Arbeiterpartei einen ersten Erfolg zu erzielen. Die Orientierung der PSL auf kleinbürgerliche Liberale hinderte sie auch daran, eine ernsthafte Wahlkampagne in den Gewerkschaften oder überhaupt in der Arbeiterklasse zu führen. Um eine Arbeiterpartei aufzubauen, was ja der Anspruch der PSL ist, muss man sich sowohl an die Arbeiterklasse wenden als auch mit einem Aktionsplan gegen den Liberalismus bewaffnet sein.

Wohin geht die Linke?

Durch die Verbundenheit der Linken mit dem Liberalismus hat sich zwischen der Linken und der Arbeiterklasse eine Kluft aufgetan. Arbeiter halten die Linke entweder für irrelevant oder für liberale Verräter. Aus diesem Grund besteht die zentrale Aufgabe der Linken in der nächsten Zeit darin, diese Kluft zu überwinden, um die bevorstehenden Kämpfe anleiten zu können.

In der Arena von Arbeiterkämpfen ist die Linke entweder vorsätzlich außen vor geblieben oder nur der Gewerkschaftsbürokratie hinterhergelaufen. Einen Eindruck von dem Problem vermitteln die Aktivitäten von WSB während des jüngsten Streiks der Boeing-Flugzeugmechaniker im Raum Seattle, wo WSB und ihre Anführerin Kshama Sawant ihr Zuhause haben. Man könnte annehmen, dass eine Organisation mit dem Namen „Workers Strike Back“ alles tun würde, um den Streik auf Siegeskurs zu bringen, während IAM-Boss Jon Holden [International Association of Machinists and Aerospace Workers] jede Mobilisierung behindert. Aber das wäre ein Irrtum. Ein paar Wochen nach Beginn der äußerst wichtigen Klassenschlacht begaben sich WSB nach Dearborn, Michigan, um für Jill Stein zu werben. Eine liberale Schmalspurpolitikerin zogen sie der Arbeiterklasse vor. Besser lassen sich der Bankrott und die Bedeutungslosigkeit der Linken kaum auf den Punkt bringen.

Viele in der Linken räumen zwar ein, dass in der Gesellschaft ein Rechtsruck stattfindet, leugnen aber seltsamerweise, dass auch die Arbeiterklasse in diese Richtung mitgerissen wird. Tatsächlich wählten viele Werktätige Trump aus Abscheu vor den Politikern des Establishments, der wirtschaftlichen Verelendung, den endlosen Kriegen usw. Darüber hinaus unterstützte eine große Anzahl von Trump-Wählern Maßnahmen zugunsten von Abtreibung. Es gibt Widersprüche, und eine der wichtigsten Aufgaben von Sozialisten besteht nun darin, diese riesige aufgestaute Wut zu nutzen, in ihr die Klasseninteressen zum Ausdruck zu bringen und sie gegen Trump (und die Liberalen) zu richten.

Doch viele Linke verwenden diese Widersprüche, um zu leugnen oder herunterzuspielen, dass Trumps Sieg eine reaktionäre Gegenreaktion auf den Liberalismus ist. Viele Werktätige, die aus berechtigter Wut für Trump gestimmt haben, glauben wirklich, dass Protektionismus, Massenabschiebungen und Trumps diktatorisches Gehabe ihren Interessen zugutekommen werden. Dies zu leugnen und der Arbeiterklasse ein Bewusstsein zuzuschreiben, das sie nicht hat, ist grotesk und irreführend. Damit vermeidet man auch, sich mit dem katastrophalen Kurs der Linken in der letzten Zeit auseinanderzusetzen, weil man wie bisher weitermachen will.

Und tatsächlich besteht das von einem Großteil der Linken vorgeschlagene weitere Vorgehen darin, entweder zu versuchen, den längst toten „Widerstand“ zu neuem Leben zu erwecken, oder in einer winzigen Organisation, der eigenen, Mitglied zu werden und „für die Revolution zu kämpfen“. Keine dieser beiden Richtungen kann die anstehende Aufgabe erfüllen, die Kluft zwischen der Linken und der Arbeiterklasse zu überbrücken. Vielmehr wird alles, was die Linke tut, diese Kluft nur noch vergrößern.

Left Voice [verbunden mit der Revolutionären Internationalistischen Organisation, RIO, bzw. Klasse gegen Klasse] und SA sind typisch für diejenigen, die auf eine Wiederbelebung der liberalen Bewegungen von gestern setzen. Aber diese Bewegungen haben für die Arbeiterklasse und die unterdrückten Gruppen nicht das Geringste getan, für die sie sich angeblich einsetzten, außer sie der gegenwärtigen Reaktion auszuliefern. Außerdem sind mit der Niederlage der liberalen Ordnung die Bedingungen, die den „Widerstand“ ausgelöst haben, nicht mehr gegeben. Der Versuch einer Wiederbelebung wird jedoch nur eines bewirken: Arbeiter abzustoßen, die den Liberalismus entschieden abgelehnt haben. Der Versuch, nach dem Modell von 2016 voranzukommen, steht im Gegensatz zur Organisierung der für die Verteidigung der Arbeiterklasse notwendigen Aktionen.

Die zweite Richtung in der Linken, vertreten durch die Revolutionary Communists of America [verbunden mit der Revolutionären Kommunistischen Partei, RKP], verlegt sich auf abstrakte revolutionäre Phrasendrescherei. Auch diese trägt nichts dazu bei, die Kluft zwischen der Linken und der Arbeiterklasse zu überbrücken, und lässt die Linke noch abgehobener erscheinen als ohnehin schon. Ohne einen konkreten, sofort umzusetzenden Aktionsplan für die Arbeiterklasse haben diese Linken nicht die Mittel, um Arbeiter und Unterdrückte im Kampf für sich zu gewinnen –die Ausgangsbasis für den Aufbau einer Arbeiterpartei.

Eine weitere wichtige Aufgabe für die Linke in dieser Zeit besteht darin, die Kluft zwischen der Arbeiterklasse und den besonders Unterdrückten zu überwinden. Es ist notwendig, so vorzugehen, dass man die Arbeiterklasse nicht weiter vor den Kopf stößt, sondern deutlich macht, dass die Verteidigung von Immigranten, Transmenschen, Schwarzen usw. in ihrem eigenen Interesse liegt. Wir müssen der Arbeiterklasse zeigen, dass ihr Hass auf den Liberalismus von der herrschenden Klasse dazu benutzt wird, gegen die am stärksten unterdrückten Schichten besonders scharf vorzugehen, wodurch sich die Bedingungen für alle Werktätigen nur weiter verschlechtern werden. Das ist jedoch nur durch einen entschiedenen Bruch mit liberaler Politik möglich. Alles andere bahnt den Weg zu mehr reaktionärer Entwicklung.

Arbeit in der schwarzen Bevölkerung wird entscheidend sein, um die Kluft zwischen der Arbeiterklasse und den besonders Unterdrückten zu überwinden. Rassenpolarisierung durchdringt die US-Gesellschaft und die Arbeiterklasse, und weil die Rassentrennung gegen Schwarze so wichtig ist für die Interessen des Kapitals, lässt sich daran, wie es um den Kampf der Schwarzen steht, deutlich ablesen, woher der Wind weht. Das trifft zweifellos auf BLM zu, deren liberale Politik nicht nur den Kampf gegen den rassistischen Polizeiterror zum Erliegen brachte, sondern auch der Rechten den Gegenschlag erleichterte. Die Demokraten bemalten erst Straßen vor dem Weißen Haus mit dem Schriftzug BLM und stellten dann als die erste schwarze Frau eine Präsidentschaftskandidatin auf, die sich mit keinem Pieps über die Bullen äußerte, außer dass sie härter gegen Verbrechen vorgehen und der Polizei nie die Mittel streichen würde. Passend dazu werden jetzt alle von BLM unterstützten „progressiven“ Staatsanwälte aus dem Amt gejagt.

Die Verschiebung besteht nicht nur in einer Abkehr vom BLM-Liberalismus, z. B. „Streicht der Polizei die Mittel“ und Community Control [Kontrolle der Polizei durch die Bevölkerung], sondern auch ganz allgemein vom Kampf der Schwarzen. Die Reaktion der Linken ist entweder Leugnung dieser Realität oder Kapitulation vor ihr und damit Preisgabe des Kampfes der Schwarzen. Für Ersteres ist die Gruppe Left Voice ein Beispiel. Irgendwie ist sie zu der Überzeugung gelangt, dass BLM nicht tot ist, sondern in diesem rechten Klima, in dem die BLM-Politik der Polizeireform abgelehnt wird, ohne weiteres wiederbelebt werden kann. Die übrige Linke ist nicht besser – und hat nichts dazu zu sagen. Das Schicksal von BLM ist eine Warnung an jede andere Bewegung, was passieren wird, wenn die Linke nicht dafür kämpft, den Liberalen die Führung zu entziehen.

Polizeibrutalität grassiert heute mehr denn je. Nachdem die Liberalen damit nichts mehr zu tun haben wollen, kommt es nun auf die Linke an, gegen den Strom zu schwimmen und die Bewegung wiederzubeleben: nicht aus liberalen Gründen, sondern aufgrund der gemeinsamen Interessen von Arbeiterklasse und Schwarzen im Gegensatz zu der herrschenden Klasse und ihrem repressiven Staatsapparat. Genau deshalb haben wir die Kampagne „Open the Police Archives“ (OPA – Öffnet die Polizeiarchive) ins Leben gerufen. Bei der Kampagne geht es um die Entlarvung der Liberalen auf frischer Tat, die behaupten, auf der Seite der Schwarzen zu stehen, sich aber, wenn es hart auf hart kommt, als Verfechter staatlicher Geheimhaltung erweisen. Wir ermutigen alle Linken, sich uns in dieser Einheitsfront anzuschließen, um die Bewegung gegen Bullenterror wieder aufzubauen.

Wie kann es weitergehen?

Zurzeit ist die Linke bedeutungslos und ohne Orientierung. Revolutionäre müssen die festgefahrene Situation durchbrechen und Wege finden, wie man die Interessen der Arbeiterklasse voranbringt. Um in dieser reaktionären Periode einen revolutionären Kern aufzubauen, müssen wir:

1.) Über unsere Aufgaben diskutieren, auch darüber, was nötig ist, um eine Arbeiterpartei aufzubauen. Die meisten linken Gruppen treten in diese neue Ära ohne Kompass, haben keine Ahnung von den seismischen Verschiebungen, die gerade stattfinden, und sind dabei, die gleichen Fehler wieder zu begehen, die uns hierher gebracht haben. Oder sie finden Trost in der revolutionären Phrasendrescherei von Sektierern und verzichten auf jede unmittelbare Kampfperspektive. Es ist dringend notwendig, eine breitere Diskussion und Debatte zwischen linken Gruppen darüber zu eröffnen, wie es so weit kommen konnte und was die Aufgaben der sozialistischen und der Arbeiterbewegung in dieser neuen Ära sind.

2.) Strukturen innerhalb der Gewerkschaften organisieren, die in Opposition zur derzeitigen pro-kapitalistischen Führung, die den Kampf der Arbeiterklasse nur behindert, einen nach vorn gerichteten Weg des Klassenkampfes anzubieten haben. Die sozialistische Linke ist als politische Kraft in Misskredit geraten, besonders bei der Arbeiterklasse, wo viele sie als liberale Gutmenschen betrachten, die sich als Ratgeber für Demokraten und Gewerkschaftsbürokratie betätigen. Dagegen müssen sich echte Sozialisten an die Arbeiterklasse wenden und für die Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen kämpfen, indem sie die Politik und die Methoden des Klassenkampfes anwenden. Voraussetzung für diesen Kampf ist vollständige Opposition gegen alle kapitalistischen Parteien und alle Flügel der Gewerkschaftsbürokratie. Nur so können die Sozialisten bei den Arbeitern an Autorität gewinnen, die Anziehungskraft von Rechtspopulisten schwächen, die Macht der Gewerkschaften wiederherstellen und die Grundlage für eine neue, klassenkämpferische Führung der Arbeiterklasse schaffen.

3.) Große Einheitsfrontaktionen organisieren, um die Unterdrückten gegen die bevorstehenden Angriffe zu verteidigen. Schwarze und Transmenschen, Latinos, Immigranten, Muslime, Frauen – alle Unterdrückten – werden im Fadenkreuz der neuen Regierung stehen. Die notwendigen Abwehrkämpfe können nicht ohnmächtigen Liberalen überlassen werden, deren moralistische Politik die Arbeiter und Unterdrückten weiter spalten wird. Ebenso wenig können Sozialisten denjenigen „Linken“ auch nur ein Jota nachgeben, die angesichts der rechten Reaktion den Kampf für die unterdrückten Gruppen aufgeben. Sozialisten müssen sich an die Spitze dieser Kämpfe stellen, als absoluter Gegenpol zu den Liberalen, immer mit der Absicht, eine Klassenkampfstrategie vorzuschlagen, die die besonderen Bedürfnisse der Unterdrückten mit den materiellen Interessen der gesamten Arbeiterklasse verbindet.

Nur wenn die sozialistische Bewegung einen solchen Kurs einschlägt, kann sie sich dem scharfen Wind der Reaktion frontal entgegenstellen, wieder ein Gegenpol zu den diskreditierten Liberalen werden und die Arbeiterbewegung wieder zu einer wirklichen kämpferischen Kraft machen.