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Übersetzt aus Vladimir Zernin (1934-2024) (Englisch), Workers Vanguard Nr. 1182

Unser Genosse Dimir starb am 27. Juli, kurz vor seinem 90. Geburtstag. Über 50 Jahre lang war er Mitglied der Spartacist League/U.S. und widmete sein Leben der Emanzipation der Arbeiterklasse. Er war einer unserer gebildetsten und kultiviertesten Parteikader. Viele von uns lernten von ihm und profitierten von seinen Sprach- und Übersetzungsfähigkeiten und seinem breiten Wissen über Geschichte, Literatur, Musik und viele andere Themen. Dimir war von Anfang an bis fast zu seinem Lebensende Mitglied der Redaktion der deutschsprachigen Ausgabe des Spartacist.

Dimirs Vater, den Dimir als „zaristischen russischen Aristokraten“ beschrieb, floh nach der Russischen Revolution und ließ sich in den USA nieder, wo er Schiffskapitän wurde. Seine Mutter war hauptsächlich für die Erziehung des brillanten und frühreifen Kindes verantwortlich und sie unterrichtete Dimir zeitweise zu Hause, während sein Vater auf See war. Dimir schloss vorzeitig die High School ab und studierte dann an der Universität Yale und in Deutschland. Er promovierte in Vergleichender Literaturwissenschaft und lehrte Deutsch an der Princeton University, der Rutgers University und der Florida State University (FSU).

An der FSU verliebte er sich in seine Studentin Tweet Carter (1943-2012), die er später heiratete. Tweet war Mitglied einer linken SDS-Ortsgruppe in Tallahassee, Florida, und sie hat ihn zur SL rekrutiert. Eine Genossin der New Yorker Ortsgruppe der SL meinte dazu: „Man könnte sagen, ihre Beziehung war eine Einheit der Gegensätze! Genossin Tweet kam durch Erfahrung zur revolutionären Politik, Dimir durch Bücher und Theorie.“ Vor allem aber war es sein ernsthaftes Studium marxistischer Klassiker wie Friedrich Engels‘ Anti-Dühring, das ihn zu einem lebenslangen Kommunisten machte.

Seit Beginn unserer politischen Arbeit in Österreich und Deutschland Anfang der 1970er-Jahre spielte er eine Schlüsselrolle bei der Herausgabe der ersten Ausgaben des deutschsprachigen Spartacist, da er der einzige Genosse war, der unsere Dokumente übersetzen konnte. Wenn diese Artikel in den frühen Ausgaben sich etwas seltsam lesen, liegt das daran, dass Dimir ziemlich in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts aufging. Das führte manchmal zu amüsanten Auseinandersetzungen. Als er einmal über die Verwendung eines bestimmten archaischen Wortes befragt wurde, berief er sich auf das Goethe-Wörterbuch.

Neben seiner Arbeit für den deutschsprachigen Spartacist und als Korrektor für Workers Vanguard und den englischsprachigen Spartacist gab Dimir einer Reihe von Genossen Deutschunterricht. Er war großzügig mit seiner Zeit, freundlich und immer bereit, seinen Sprachunterricht mit Geschichte und Kultur zu erweitern. Er arbeitete auch jahrelang im Büro des Internationalen Sekretariats, das sich damals in New York befand, wo er insbesondere an Übersetzungen und Recherchen arbeitete.

Er verfasste u. a. den herausragenden Artikel „Architecture as a Tool of Social Transformation“ [Architektur als Instrument der gesellschaftlichen Umgestaltung] (Women and Revolution Nr. 11, Frühjahr 1976) über die Anstrengungen in der frühen Sowjetunion, die unterdrückerische bürgerliche Familie durch Formen des kollektiven Zusammenlebens als Teil des sozialistischen Umbaus der gesamten Gesellschaft zu ersetzen.

Im Laufe der Jahre erwarb Dimir eine umfangreiche Bibliothek über die internationale Arbeiterbewegung (insbesondere in Deutschland), Geschichte, Archäologie, Sprachwissenschaft, Literaturkritik und Musikgeschichte. Als versierter Musiker baute er fast im Alleingang ein großes Cembalo und besaß eine umfangreiche Sammlung von Aufnahmen klassischer Musik.

Dimir war ein echter Intellektueller – kein Gelehrter, der im Elfenbeinturm sitzt, sondern der politischen und kulturellen Bildung und Bereicherung seiner Genossen und der Arbeiterklasse verpflichtet. Er war ein schüchterner Mensch mit einem großen Sinn für Humor. Besonders großen Spaß fand er daran, immer wieder neue Wortspiele oder amüsante Reime zu erfinden. Er war dem Marxismus zutiefst verpflichtet, und fast bis zum Schluss war er begierig darauf, von der Arbeit der Partei zu hören. Ein Genosse erinnerte sich daran, wie erfreut er über unsere Artikel im Workers Hammer über die Kampagne der Spartacist League/Britain „Nieder mit der Monarchie!“ war.

Wir danken seinen Freunden, seinen beiden Pflegerinnen und auch den Genossen, die sich in den letzten Jahren, in denen er an Demenz litt, so gut um Dimir gekümmert haben. Er erlebte noch Momente des Glücks und starb zu Hause, was sein Wunsch war. Wir werden ihn schmerzlich vermissen.