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https://iclfi.org/pubs/spk/229/arbeiterkonferenz
Übersetzt aus Report-back from Workers Conference (Englisch), Workers Vanguard Nr. 1186 ,

Folgender Artikel erschien zuerst in Workers Vanguard Nr. 1186, Zeitung der Spartacist League/U.S.

„Was sollen wir jetzt tun?“ Diese Frage beschäftigte Dutzende von Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich im Sommer auf der von der Spartacist League/U.S. organisierten Arbeiterkonferenz versammelt hatten. Die Teilnehmer kamen aus allen Teilen des Landes und hatten unterschiedliche Beziehungen zur Partei, obwohl die meisten von Gewerkschaftskomitees kamen, die von der SL/U.S. unterstützt werden. Andere kamen aus Mexiko, Kanada, Britannien und Deutschland und brachten ihre Erfahrungen als Gewerkschaftsvertreter und Aktivisten ein in dieser zunehmend reaktionären Periode ein halbes Jahr nach Beginn von Trumps zweiter Amtszeit.

Ziel der Konferenz war es, in einer Zeit, in der sich viele Arbeiter „mit dem Rücken an die Wand gedrückt“ fühlen und Bemühungen von Militanten, die Kämpfe voranzutreiben, weitgehend ins Stocken geraten sind, Analysen und Orientierung zu liefern. Die Versammlung sollte den Teilnehmern helfen, sich über Wasser zu halten, ihre Kolleginnen und Kollegen auf bevorstehende Angriffe vorzubereiten und in der Lage zu sein, Verteidigungskämpfe zu organisieren, wenn sich Gelegenheiten ergeben. Selbst bescheidene Verteidigungsmaßnahmen – wie die Kampagne zur Wiedereinstellung des Zugführers Andy Valentine bei New York City Transit – können ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermitteln und Impulse für die Schmiedung einer neuen Gewerkschaftsführung geben, die für die Interessen der Arbeiter kämpft. Wenn ein Vorschlag, etwas zu tun, keine Zustimmung findet, ist es kein Verrat, sondern notwendige Selbsterhaltung, einen Schritt zurückzutreten und sich neu zu formieren.

In den vielen Gesprächen tauschte sich u. a. eine Kollegin, die in einem Krankenhaus in New York City arbeitet, mit einem Bauarbeiter aus dem überwiegend weißen ländlichen Mittleren Westen aus. Sie bemerkte, dass sie aus „entgegengesetzten Enden des amerikanischen Albtraums“ kommen, in dem Arbeiter aller Hautfarben „überall Armut“ erleben, aber extrem polarisiert sind entlang reaktionärer Linien wie Demokraten versus Republikaner. Der Bauarbeiter erinnerte sich, dass er „Agitations-Marathons“ veranstaltet habe, um Arbeitskampfmaßnahmen zu organisieren, und „nichts damit erreicht“ habe. „Ich muss geduldig sein und weiter mit der Partei auf Leute zugehen“, sagte er später. „Ich muss vorsichtig sein und Gelegenheiten nutzen“, um die Arbeiter zu gemeinsamen Aktionen zu mobilisieren, und auf der parteiübergreifenden Wut über die Misshandlungen durch Vorarbeiter und Bauunternehmer aufbauen.

Die Bekämpfung der Spaltungen – entlang Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Rang, Handwerk, Geschlecht und mehr –, die von den Bossen geschürt und von den Bürokraten verstärkt werden, ist entscheidend für die Umwandlung der Gewerkschaften in aktive Verteidigungsorganisationen, insbesondere im aktuellen Klima. Vor diesem Hintergrund wurde auf der Konferenz das eskalierende brutale Vorgehen der ICE [US-Behörde Immigration and Customs Enforcement] gegen Einwanderer diskutiert, was bei vielen in den USA geborenen Arbeitern Unterstützung findet. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gewerkschaftsführung den Mitgliedern sagt, sie sollten sich den maskierten Bewaffneten, die Busse kapern oder Arbeitsstätten stürmen wollen, vollständig fügen. Wie ein anderer Bauarbeiter betonte, sie „denken, dass sich zu fügen Überleben bedeutet, aber in Wirklichkeit ist es ein Todesurteil“ für die Arbeiter. „Das kettet uns an unsere Klassenfeinde.“

Wenn Arbeiter nicht bereit sind, sich gegen die ICE zu wehren, können Militante ihr Vertrauen in die Kraft kollektiver Aktionen stärken, indem sie Kämpfe gegen unmittelbar spürbare Angriffe der Bosse initiieren und gleichzeitig Wege finden, um zu vermitteln, dass die Verteidigung von Einwanderern eine Verteidigung aller Arbeiter ist. Wie ein Gewerkschaftsaktivist aus dem Süden es ausdrückte: Nutzt „jede kleine Gelegenheit, um eure Muskeln spielen zu lassen, versucht, einen kleinen Sieg zu erringen, wenn ihr könnt. Man kann keine schweren Dinge heben, wenn man nicht gelernt hat, seine Muskeln zu trainieren.“ Die Durchsetzung von Sicherheitsstandards ist ein möglicher Hebel, um den Anweisungen der Bürokraten, ICE zu unterstützen, entgegenzuwirken. In New York City dürfen Zugführer beispielsweise einfach ohne Halt einen Bahnhof durchfahren, wenn eine eindeutige Gefahr oder Polizeitätigkeit auf dem Bahnsteig im Gange ist. Ähnlich erklärte ein Kollege aus dem Nahverkehr: „Ein Busfahrer ist wie der Kapitän eines Schiffes“ und hat die Pflicht, seine Fahrgäste zu schützen.

Die Teilnehmer diskutierten auch liberale kontra klassenkämpferische Antworten auf Rassismus. Die Liberalen geben weißen Arbeitern die Schuld für die Unterdrückung der Schwarzen und appellieren an die Regierung der Bosse, Abhilfe zu schaffen – also genau an diejenigen, die die Rassentrennung erzwingen. Das schwächt nur die Gewerkschaft und macht weiße Arbeiter zu Trump-Anhängern. Militante Klassenkämpfer versuchen, weiße Arbeiter zu mobilisieren, um gegen die Mechanismen, die schwarze Arbeiter am Boden halten, zu kämpfen, und zwar auf eine Weise, die allen zugutekommt; sie erklären, dass Angriffe auf Schwarze heute, wenn nicht dagegen vorgegangen wird, den Klassenfeind ermutigen, morgen alle Arbeiter anzugreifen; sie reagieren sofort auf jede rassistische Provokation am Arbeitsplatz.

Einer von mehreren Workshops befasste sich mit der Kandidatur für Gewerkschaftsämter. Gewerkschaftswahlen bieten Militanten eine Arena, um zu testen, wie bereit ihre Kolleginnen und Kollegen sind, ernsthaft für die Stärkung der Gewerkschaft zu arbeiten – und geben die Möglichkeit, eine Position zu erlangen, um diese Perspektive in der Praxis besser verfolgen zu können. Das setzt jedoch voraus, dass Kandidaten ein Programm vorlegen, das unmittelbare Maßnahmen mit weiterreichenden verbindet – also ein Programm, das die empfundenen Bedürfnisse aufgreift, um die Arbeiter in eine Richtung zu orientieren, wie sie ihre Ziele tatsächlich erreichen können. Jeder entsprechende Plan zur Verbesserung der Kampfkraft der Gewerkschaft – Spaltungen zu überwinden, Verbindungen zu anderen Schichten der Klasse zu schmieden und die Gewerkschaft auf eigene Füße zu stellen gegen die Bosse – wird der Bürokratie ganz und gar nicht gefallen.

In der gegenwärtigen Phase wird der Druck groß sein, die Perspektive zu verengen und sich ganz auf Fragen direkt am Arbeitsplatz zu beschränken. Diesem Druck muss bewusst widerstanden werden (ebenso wie der reflexartigen Reaktion, einfach nur die rote Fahne zu schwenken, ohne damit etwas zu erreichen). Ein Mitglied des Komitees zur Beendigung der Lohnstaffelung in der ILWU betonte, dass Militante ein Programm auf der Grundlage der Unabhängigkeit der Arbeiterklasse vorlegen müssen oder vielleicht gar nicht kandidieren sollten, wenn sie nicht offen eine Linie gegen die prokapitalistische Führung ziehen können.

Weitere auf der Konferenz diskutierte Lehren:

Kämpft für Gewerkschaftssolidarität gegen Individualismus. Aufgrund des Verrats der Gewerkschaftsführung müssen militante Arbeiter Grundprinzipien, die einst selbstverständlich waren, wieder aufstellen und Kollegen für eine breitere Perspektive gewinnen. Verpfeift niemals jemanden an die Bosse. Verteidigt Arbeiter gegen Schikanen. Trefft euch niemals mit der Geschäftsleitung, ohne dass ein Gewerkschaftsvertreter dabei ist. Streikpostenketten werden nie überquert. Neue Kollegen und Auszubildende müssen gleich am ersten Tag in die Gewerkschaft aufgenommen werden. Organisiert die Unorganisierten, egal was ihr Einwanderungsstatus ist. Schluss mit der Segregation nach Rasse, Rang und Beruf. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Niemals darf die Regierung in einen Konflikt innerhalb der Gewerkschaft hineingezogen werden.

Baut eure Autorität auf. Seid niemals eine Belastung für eure Kollegen, arbeitet sicher und seid pünktlich. Teilt euer Wissen mit anderen Kolleginnen und Kollegen und hört ihnen aufmerksam zu. So verdient ihr euch ihren Respekt, was es für die Bosse schwieriger macht, euch zu verleumden, und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Kollegen euch verteidigen, wenn ihr ins Visier genommen werdet.

Lernt Überlebenstechniken. Seid vorsichtig damit, große Kämpfe gegen die Bosse und Gewerkschaftsbürokraten zu starten, es sei denn, die Arbeiter stehen hinter euch. Sucht euch eine andere Front, an der die Arbeiter bereit sind zu kämpfen, und leitet diesen Kampf an als ersten Schritt zur Vorbereitung der Arbeiter auf größere Kämpfe. Schaut euren Vertrag genau an, studiert die Gewerkschaftssatzung und die Roberts Rules of Order [Handbuch zur Organisierung von Versammlungen]. Lasst alles ins Spanische und/oder andere Sprachen übersetzen, damit eure Kollegen in jeder Situation den effektivsten Weg zur Verteidigung bestimmen können.

Zeigt, wie die Unterstützung des US-Imperialismus die amerikanische Arbeiterschaft schwächt. Nur wenige Arbeiter werden bereit sein, gegen die Verwüstungen der US-Herrscher im Ausland vorzugehen, es sei denn, sie sehen, wie ihnen dies nützt. Workers Vanguard hat sehr konkret aufgezeigt, wie die ILA-Führung durch ihre Unterstützung des US-Imperialismus den Gewerkschaftskampf sabotiert hat – nämlich durch ihre Zusage, während des Streiks der Gewerkschaft im Oktober 2024 weiterhin Militärgüter zu verladen.

Vor einigen Monaten feuerte die Columbia University den Präsidenten der Studierendenvertretung der Graduierten, der auch ein pro-palästinensischer Aktivist ist. Die Angriffe auf Gegner des Völkermords in Gaza gingen Hand in Hand mit Angriffen auf Gewerkschaften an den Universitäten und Kürzungen im Bildungsbereich. Diese Unterdrückung abweichender Meinungen und die scharfen Angriffe auf Gewerkschaften werden sich wie ein Lauffeuer auf andere Bereiche der Arbeiterbewegung ausbreiten, wenn sie nicht bekämpft werden.

Bildet euch weiter. Ihr könnt die Arbeiter nicht zum Sieg führen, wenn ihr nicht von den Revolutionären lernt, die vor euch da waren. In diesem Sinne gab es im Vorfeld der Konferenz einen Tag der Offenen Tür in der Prometheus Research Library, bei dem die versammelten Aktivisten dazu ermutigt wurden, die PRL als wichtige Informationsquelle zu nutzen. (Einen Katalog der Bestände findet ihr unter prl.org.) Ein Fabrikarbeiter wurde dazu inspiriert, nach der Konferenz ABC des Kommunismus zu lesen. Er beschrieb seine Überraschung darüber, wie präzise dieses hundert Jahre alte Buch „jodidez“ [die Scheiße] beschreibt, mit der die Arbeiter heute konfrontiert sind: „Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben.“

Die Veranstaltung war sowohl für die Partei als auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter eine lehrreiche Erfahrung. Wie ein Arbeiter im Bildungswesen betonte, ging es bei der Veranstaltung um die „Notwendigkeit, dass Gewerkschaftsaktivisten die Partei in der Realität verankern“, damit die Partei ein revolutionäres Programm in Wort und Tat wirksam vertreten kann, und darum, dass „die Parteigenossen die Zielsetzung bei den Arbeitern weitervertiefen, damit sie nicht von den Kleinigkeiten des Alltags aufgesogen werden“. Der Rat des amerikanischen trotzkistischen Führers James P. Cannon an eine Bergarbeiterkonferenz der Workers Party im Jahr 1924 gilt auch heute noch:

„Unser revolutionäres Ziel gestaltet unsere Politik im täglichen Kampf… Wehe uns, wenn wir so ‚praktisch‘ werden, dass wir dies auch nur für einen Moment vergessen. Unsere gesamte Arbeit muss in Richtung der proletarischen Revolution führen. Wenn wir das immer im Gedächtnis behalten und unsere tagtägliche Arbeit an diesem Standard messen, werden wir auf dem richtigen Weg bleiben.“ („Unsere Ziele und Taktiken in den Gewerkschaften“, 27. Juli 1924, abgedruckt im deutschsprachigen Spartacist Nr. 18, Frühjahr 1997)