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Steht die Palästinabewegung endlich vor dem Durchbruch? Das war zumindest das Bild, das der Großteil der sozialistischen Linken beschwor, nachdem am 27. September mehr als 100 000 Menschen zur Demo „All Eyes on Gaza“ in Berlin gekommen waren. Klasse gegen Klasse sprach von einer „Zeitenwende“ für die Palästinabewegung (1. Oktober) und Ramsis Kilani von Sozialismus von unten sah in der Mobilisierung für die Demo die deutsche Staatsräson für Israel „bröckeln“ (26. September, Instagram@ramsyki).
Nur wenige Tage später schlug wieder die harte Realität zu: Trump, bejubelt von Merz und Klingbeil (und etwas verschämter auch von Jan van Aken), verkündete den Gaza-Deal, der eine verheerende Niederlage für den palästinensischen Widerstand und die internationale Palästinabewegung bedeutet und Trumps Position weiter stärkt. Wir müssen dafür kämpfen, diesen Deal zu zerreißen (siehe Seite 3). Aber jeder Schritt in diese Richtung erfordert, dass die Palästinabewegung auf einer vollkommen neuen, antiimperialistischen und proletarischen Grundlage aufgebaut wird.
Obwohl Millionen Menschen weltweit für Palästina auf der Straße waren, konnte die Palästinabewegung keine wirkliche Macht entfalten. Die Isolation der Bewegung von der Arbeiterklasse wurde auch klar bei der Demo am 27. September: Unter den 100 000 Teilnehmern fanden sich nur einige kleine Gewerkschaftsblöcke, die im Wesentlichen aus Linken in Gewerkschaftswesten bestanden. Sicher spielen die massive staatliche Einschüchterung und Repression dabei eine Rolle. Aber Sozialisten müssen der Wahrheit ins Auge sehen, dass der entscheidende Grund für die bisherige Machtlosigkeit der Palästinabewegung ihre eigene politische Ausrichtung ist, die der Arbeiterklasse nichts anzubieten hat.
Seit Pandemie und Ukrainekrieg ist die Arbeiterklasse einem Dauerbeschuss auf ihren Lebensstandard ausgesetzt. Die Kosten für die verbissene Ukraine-Unterstützung von der Merz/Klingbeil-Regierung, für den NATO-Kurs und die damit verbundene Mega-Aufrüstung sind gewaltig und sollen auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden. Der angekündigte „Herbst der Reformen“ bildet den Auftakt zum Generalangriff auf Löhne, Renten und Sozialstaat. Gleichzeitig bedroht die Deindustrialisierung weite Teile der Arbeiterklasse in ihrer Existenz: Allein bei Bosch sollen 22 000 Stellen abgebaut werden, insgesamt 100 000 Industrie-Jobs bis Ende des Jahres.
Der US-Imperialismus versucht mit einem immer aggressiveren Kurs seine Stellung als Weltmacht Nummer eins zu halten und den Druck zu erhöhen: auf seinen Feind China, auf die unterdrückten Länder und selbst auf seine Juniorpartner wie Deutschland. Israels Kriege und Deutschlands Unterstützung dafür sind untrennbar Teil dieser Entwicklung. Dass Israel nach zwei Jahren der „Drecksarbeit“ für die Imperialisten nun vorläufig als Sieger aus dem Krieg hervorgegangen ist, stärkt die Position des US-Imperialismus und seiner Verbündeten. Weitere Repression wird folgen – nicht nur gegen Palästina-Aktivisten, sondern auch gegen Kriegsgegner, Regierungskritiker und Arbeiteraktionen jeder Art. Im Umkehrschluss würde ein siegreicher Schlag gegen Israel – zum Beispiel durch Arbeiteraktionen gegen Waffenlieferungen – die Arbeiter in eine viel bessere Position im Kampf gegen die Regierung und die Bosse hier bringen.
Die Rechtswende in den USA gibt einen Vorgeschmack auf das, was auch hier noch folgen wird. Die Arbeiter sind in einer denkbar schlechten Position, um sich gegen die drohenden Angriffe zur Wehr zu setzen, geschweige denn einen Sieg für Palästina zu erringen. Ihre eigene Führung – in SPD, Linkspartei und Gewerkschaften – mag noch so viele Töne gegen Merz, gegen die AfD und gegen die angedrohten Angriffe spucken. Aber sie alle stehen nicht nur hinter der Unterstützung für Israel, sondern der Herrschaft der deutschen Imperialisten und dem NATO-Kurs insgesamt. Durch ihren Kurs haben sich immer mehr Arbeiter von der Arbeiterbewegung abgewandt: Nur etwa 13,2 (!) Prozent der Arbeiter sind überhaupt noch gewerkschaftlich organisiert. Die AfD wird als einzige Opposition gegen die herrschenden Verhältnisse gesehen und ist unter Arbeitern mittlerweile die stärkste Kraft.
Die Linke hat keine Antwort darauf, wie diese Situation umgedreht werden kann. Einfach nur zu Arbeiteraktionen für Palästina aufzurufen oder die Arbeiter leichtfertig in die Offensive treiben zu wollen wirkt wie eine selbstgerechte Moralpredigt von außen. Die jetzt schon riesige Kluft zwischen den Linken und der Arbeiterklasse wird dadurch nur größer. Der Kampf für Palästina muss verbunden werden mit einem entschiedenen Kampf für die Arbeiterinteressen gegen den aktuellen pro-imperialistischen Kurs der Arbeiterführer – auch der Linkspartei –, die verantwortlich sind für den Niedergang der Arbeiterklasse, den Kampf für Palästina blockieren und das Wachstum der AfD weiter befeuern.
Staatsräson und Linkspartei
Knapp zwei Jahre lang lag die Linkspartei-Führung auf Linie der deutschen Regierung bei der Unterstützung für Israel. Nachdem Merz und selbst die fanatisch pro-israelischen Grünen ihre Kritik an Israel verstärkt hatten, sprang auch die Linkspartei auf den Zug auf und unterstützte schließlich die Demo „All Eyes on Gaza“. Das wird als Sieg und Zeichen der Stärke der Palästinabewegung gesehen, ebenso wie die Beteiligung von arbeiterfeindlichen Mainstream-Liberalen wie der Grünen Jugend oder Luisa Neubauer. All das signalisiert aber in Wahrheit nur, wie weit die Bewegung von einem proletarischen und antiimperialistischen Kurs entfernt ist.
In kaum einem westlichen Land wurde die bedingungslose Unterstützung für Israel und seine schlimmsten Verbrechen so lange und so stark aufrechterhalten wie in Deutschland. Die deutsche herrschende Klasse – und mit ihr die Arbeiterführung in SPD, Linkspartei und Gewerkschaften – begründet ihre Unterstützung für Israel mit der angeblichen „Verantwortung Deutschlands“, mit seiner Aufarbeitung von Weltkrieg, Faschismus und Holocaust, kurzum: mit den Lehren der Geschichte.
Die Palästinabewegung stellte sich von Anfang an zwar gegen diese Staatsräson, aber auf welcher Grundlage? Politisch dominiert wird sie von liberalen Kräften wie Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS) und der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost. Es ist absolut notwendig, diese gegen den BRDStaatsterror zu verteidigen und die infame Lüge zurückzuweisen, dass sie in irgendeiner Weise antisemitisch seien. Aber ihr antiproletarisches Programm muss von der Linken politisch bekämpft werden. Selbst die schlimmsten Auswüchse ihrer Politik bleiben zu oft unwidersprochen: etwa das selbstgerechte „Shame on you“ von BDS gegen jeden, der ihren Konsumenten-Boykott nicht unterstützt, oder die Kollektivschuld-Vorwürfe der Jüdischen Stimme, die deutsche Arbeiter wegen ihrer Passivität für mitschuldig am Holocaust und Gaza-Genozid erklärt.
Die gesamte Strategie dieser Kräfte zielt nur darauf ab, dass die imperialistischen Mächte ihre Politik ändern und Israel nicht mehr unterstützen sollen. Die Unterstützung für Israel ist für sie Verrat an den gepredigten Werten der westlichen Regierungen. „Free Palestine from German Guilt“ oder „Nie wieder für alle“ sind die Schlagworte, mit denen die Bewegung die Verlogenheit der herrschenden Israel-Unterstützung kritisiert und fordert, der deutsche Imperialismus müsse endlich die richtigen Lehren aus der Geschichte ziehen, gegen jeden Völkermord sein und die Unterstützung für Israel einstellen.
Damit geht die Bewegung aber voll der liberalen Ideologie auf den Leim, die der herrschenden Klasse als progressiver Deckmantel bei der Durchsetzung ihrer Interessen in der globalisierten US-geführten Weltordnung diente. Die Bourgeoisie brauchte jahrzehntelang keinen Krieg und keine autoritäre Regierung, sondern Freihandel, offene Grenzen und die EU. So wurden die Lebensgrundlagen der Arbeiterklasse zugrunde gerichtet – und jede Opposition dagegen pauschal als „rechts“ diffamiert. Man kann dem Kampf für Palästina keinen schlechteren Dienst erweisen, als ihn mit dieser liberalen Ideologie in Verbindung zu bringen, von der sich Arbeiter zu Recht immer mehr abwenden.
Auch die Linkspartei hat die liberale Ideologie voll aufgesogen und beschwert sich über die Diskrepanz zwischen Deutschlands „Lehren der Geschichte“ und seiner Mission für Demokratie und Fortschritt einerseits und seiner Unterstützung für einen nicht mehr zu verleugnenden Völkermord andererseits. Sinnbildlich dafür steht auch die Empörung, bis in SPD und Jusos hinein, über die Aussage von Merz, dass Israel im Nahen Osten die „Drecksarbeit“ für die westlichen Imperialisten verrichte. Er hat einfach die liberale Maske fallengelassen und auf den Punkt gebracht, worin der Wert Israels für die Imperialisten besteht.
Es geht der Linkspartei-Führung nicht darum, einen Kampf für Palästina und die Arbeiter hier gegen die Regierung und den deutschen Imperialismus zu organisieren, sondern die Politik des deutschen Imperialismus mit seinen liberalen Versprechungen in Einklang zu bringen. Wenn sie jetzt auf die Palästinabewegung aufspringt, dann mit dem Ziel, dass die weitverbreitete Empörung über Israels Völkermord nicht in eine antizionistische und grundlegend gegen den deutschen Imperialismus gerichtete Position umschlägt.
Auch wenn die Parteiführung jetzt von einem Genozid in Gaza spricht, macht sie gleichzeitig immer wieder klar, dass sie an ihrer grundlegenden Unterstützung für den zionistischen Staat festhält. Sie verteidigt weiterhin das Existenz- und das grundlegende Verteidigungsrecht des kolonialen Siedlerstaates Israel. Der zionistische Zweck des israelischen Staates ist die Auslöschung der palästinensischen Nation. Dieser Zweck und damit die bloße Existenz des Staates Israel sind unvereinbar mit einer freien israelisch-jüdischen Nation, die selber nur frei sein kann, wenn sie die palästinensische Nation nicht unterdrückt. Die pro-zionistische Position der Linkspartei-Führung garantiert, dass sie sich immer gegen den gerechtfertigten palästinensischen Widerstand stellen wird, wenn dieser sich mit mehr als nur leeren Worten und machtlosen Appellen gegen Unterdrückung und Vertreibung zur Wehr setzt. Ihr Bekenntnis zum Staat Israel ist ihr Treueeid zur deutschen herrschenden Klasse. Daher auch die reflexartige Forderung, sich immer und überall von der Hamas und angeblichem Antisemitismus zu distanzieren. Alles andere wäre für die deutsche herrschende Klasse absolut inakzeptabel.
Aber nehmen wir die Führung beim Wort: Ihr seid gegen Waffenlieferungen an Israel? Dann tut etwas dagegen! Nutzt euren Einfluss in den Gewerkschaften und kämpft für Gewerkschaftsaktionen gegen Waffenlieferungen an Israel! Nein zur Repression gegen die Palästinabewegung! Weg mit den Verboten von Samidoun und Palästina-Solidarität Duisburg! Sofortige Rücknahme des Parteiausschlusses von Ramsis Kilani!
Aber das reicht nicht. Die linken, antiimperialistischen Kräfte, die auch in der Linkspartei arbeiten (wie Linke Neukölln, Berliner Linksjugend, KPF, Liste Links, SOL, SAV usw.), müssen den Rahmen durchbrechen, den die Parteispitze und Gewerkschaftsführer für gerade noch vertretbar halten und der die Bewegung fesselt. Sie müssen dem Kampf in der Linkspartei eine antizionistische Richtung geben – anstatt sich ein ums andere Mal der Hoffnung hinzugeben, dass man die Parteiführung für eine richtige Politik gewinnen könnte. Nein zum Zionismus! Keine Unterstützung für Israel und die Zwei-Staaten-Lösung! Antideutsche und Israel-Unterstützer raus!
Nein zur NATO! Keine Unterstützung für die Ukraine!
Einer der krassesten Ausdrücke dafür, wie die Palästinabewegung und liberale Kräfte wie Mera25 verzweifelt den Anschluss an die imperialistischen Herrscher suchen, ist die weitverbreitete Position, die USA und Deutschland sollten sich für Palästina so einsetzen wie für die Ukraine und Israel ächten und sanktionieren wie Russland. Diese Unterstützung eines der Hauptziele der Imperialisten – Eindämmung Russlands – bedeutet, die Arbeiter und Unterdrückten an ihre eigenen Unterdrücker zu ketten. Es ist regelrecht Gift für den palästinensischen Befreiungskampf vor Ort ebenso wie für die Palästinabewegung, besonders in den Ländern, deren Regierungen hinter der Ukraine stehen. Doch dem notwendigen politischen Kampf gegen diese Positionen geht der Großteil der Linken einfach aus dem Weg, aus Angst vor der absehbaren Kontroverse.
Es ging den Imperialisten niemals um die „Souveränität“ der Ukraine, sondern darum, selbst die Ukraine zu beherrschen und Russland aus Osteuropa herauszuhalten. Die öffentliche Demütigung Selenskis durch Trump im Oval Office und die Tatsache, dass den USA der Preis für den Ukrainekrieg zu hoch wird, unterstreichen das nur allzu deutlich.
Mit Unterstützung von Waffenlieferungen an die Ukraine wird auch eine potenzielle Brücke zur Arbeiterklasse eingerissen, die in weiten Teilen, besonders in Ostdeutschland, dem Ukrainekrieg und dem irrwitzigen Kriegskurs gegen Russland kritisch gegenübersteht. Für viele Arbeiter ist der Ukrainekrieg näher dran als Israels Völkermord. Die Auswirkungen der Sanktionen, der Aufrüstung und auch der imperialistischen Ideologie sind für sie über den Ukrainekrieg stärker spürbar als über Palästina. Auch die Linkspartei-Führung hat sich in die nationale Einheit gegen Russland und die „Solidarität mit der Ukraine“ eingereiht und unterstützt bis heute die Sanktionen, die nicht nur ein Akt imperialistischer Aggression gegen Russland sind, sondern auch die Arbeiter hierzulande in den Ruin treiben. All das war noch einmal ein wesentlicher Brandbeschleuniger für die AfD, die als einzige Opposition gegen den anti-russischen Kurs wahrgenommen wurde, die Linkspartei jedoch, völlig zu Recht, nicht. Eine klare und unversöhnliche Opposition der Linken gegen den Ukrainekrieg, die NATO und deren Unterstützer in der Arbeiterbewegung ist die grundlegendste Voraussetzung, um die AfD als arbeiterfeindliche, militaristische und pro-zionistische Kraft zu entlarven. Nein zu NATO, Sanktionen und Aufrüstung! Stoppt Waffen und Unterstützung für Israel und die Ukraine!
Linke Opposition oder Brandmauer?
Die jetzige Führung der Linkspartei ist ein absolutes Hindernis für den Kampf gegen den eigenen Imperialismus, für Palästina und überhaupt dafür, die Arbeiter zu gewinnen. Trotz aller Kritik hängen viele sozialistische Linke an dieser Führung. Ein klares Beispiel war, wie die meisten Linken zur Wahl der Linkspartei bei der letzten Bundestagswahl aufriefen – auch solche, die nicht innerhalb der Linkspartei arbeiten (wie Gruppe ArbeiterInnenmacht) oder gerade erst herausgedrängt wurden (wie Sozialismus von unten und Ramsis Kilani). In den Schlüsselmomenten, als die Parteiführung ihre Loyalität zur herrschenden Klasse unter Beweis gestellt hat, im Ukrainekrieg oder nach dem 7. Oktober, hat der linke Flügel keinen Kampf für seine eigenen Positionen geführt. Wir erneuern unseren Aufruf: Wenn ihr es ernst meint mit eurem Kampf für Palästina und gegen den Imperialismus, dann kämpft um die Führung der Partei! Das wäre ein konkreter Schritt vorwärts, den alle Linken unterstützen sollten.
Doch genau davor schrecken die Parteilinken zurück. Die Sorge: Wenn die Linke ohnehin schon so schwach und die Rechte auf dem Vormarsch ist, dann würden eine drohende Spaltung der Linkspartei und eine weitere Zersplitterung der Linken uns noch weiter schwächen. Auch wenn sie mit dem rechten Flügel und selbst mit Reichinnek und van Aken in vielen Fragen nicht übereinstimmen, so sehen sie in ihnen wichtige Verbündete im Kampf gegen Rechtsruck und AfD und die entschlossensten Verteidiger der Brandmauer gegen die AfD.
Dabei ist es genau diese Brandmauer, die auch den Aufstieg der AfD weiter befördert und mit der Verbrechen gegen die Arbeiterklasse gerechtfertigt werden. Die SPD verhilft Merz zur Kanzlerschaft, um eine halbwegs stabile Regierung ohne AfD zu bilden. Selbst die wenigen Parteilinken und Jusos, die gegen den Eintritt in eine Merz-geführte Regierung waren, waren hilflos der Drohung gegenüber, dass, wenn die SPD nicht in die Regierung ginge, die Brandmauer der CDU gegen die AfD brechen könnte. Sie sind so Opfer ihrer eigenen Brandmauer-Logik geworden, die sie jahrelang propagiert haben.
Die Linkspartei folgt demselben Muster wie die SPD und offenbarte sich gleich nach der Bundestagswahl als Steigbügelhalter für die Merz-Regierung. Jedes Mal, wenn es wirklich auf die Stimme der Linkspartei ankam, eilte sie der Krisen-Koalition von Merz und SPD zur Hilfe. Jedes Mal lautete das Argument, dass man als Demokraten zusammenstehen und Chaos vermeiden müsse, von dem nur die AfD profitieren würde. Egal, wie sehr sich die Linkspartei-Führung als Opposition gegen Sozialkahlschlag, Rechtsruck und seit neuestem auch gegen Völkermord positioniert: Wer nicht einmal den Willen hat, eine verhasste CDU/SPD-Regierung für ein paar Tage in der Luft hängen zu lassen, der kann nicht den notwendigen Widerstand der Arbeiter organisieren.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Merz/SPD-Regierung gegen die Wand knallt und durch eine rechte Regierung ersetzt wird. Union und AfD verfügen schon jetzt zusammen über eine Mehrheit. Zu verhindern, dass aus dieser rechnerischen Mehrheit eine politische Mehrheit wird – dass die CDU also aus dem Konsens der „demokratischen Mitte“ ausschert – ist der Kern der aktuellen Brandmauer.
Man kann der herrschenden Klasse kein größeres Geschenk als die Brandmauer machen: Erst nutzt sie die Unterwürfigkeit der Arbeiterführer und Linken und den „Kampf gegen rechts“ aus und kann sich sicher sein, dass ihr von links keine Opposition im Weg steht – bis sie eines Tages die liberale Maske fallen lässt und auf die AfD setzt. In einigen Punkten wie der Migrationspolitik, verschärfter Staatsrepression und der geplanten Wiedereinführung der Wehrpflicht hat die Merz-Regierung den Bruch mit dem Liberalismus der Merkel-Ära schon offen begonnen. Wenn das Kapital auch hierzulande die Notwendigkeit sieht, vollends mit dem Liberalismus der letzten Jahrzehnte zu brechen, um seine Interessen durchzusetzen, dann wird die Brandmauer fallen. Dann wird die CDU mit der AfD koalieren, notfalls auch als Juniorpartnerin unter Alice Weidel.
In den USA ist eine autoritäre Rechtswende bereits eingetreten. Trump und Vance sind fest entschlossen, dem Liberalismus auch in Europa den Todesstoß zu versetzen. Die Rechte steht in den Startlöchern, in Frankreich, Britannien, Österreich. Überall zeigt sich, dass die herrschende Klasse, ohne mit der Wimper zu zucken, die Brandmauer gegen rechts einreißen wird, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat und hinderlich für die Durchsetzung kapitalistischer Interessen geworden ist. Wie kann die Linkspartei glauben, dass es ausgerechnet in Deutschland anders laufen wird? An einen solchen deutschen Sonderweg kann man nur glauben, wenn man die Lügen der deutschen Bourgeoisie von den Lehren der Geschichte und dem „antifaschistischen Grundkonsens“ verinnerlicht hat.
Wenn die Mehrheit der Arbeiter inzwischen zur AfD neigt, dann in erster Linie, weil die Brandmauer-Parteien, einschließlich SPD und Linkspartei, als Teil des Problems und Unterstützer einer arbeiterfeindlichen Politik wahrgenommen werden – und die antiimperialistischen und pro-palästinensischen Linken, die die liberale Hysterie gegen die AfD mittragen, ebenso. Noch einmal: Die AfD hat von allen Parteien momentan den größten Rückhalt unter Arbeitern – während die Linken nahe der Bedeutungslosigkeit sind.
Was die Wähler der AfD sich erhoffen – und bei der Linken, die vor Merz und der SPD kriecht, nicht finden – ist ein Angebot zur Verbesserung ihrer Lage, bezahlbare Wohnungen und anständige Löhne und Bildung, d. h. eine Alternative zur ausgetretenen liberalen Politik der letzten Jahre, die nur Entbehrung bedeutet hat und offensichtlich auf einen Krieg gegen Russland zielte.
Der Höhenflug des BSW letztes Jahr hat das Potenzial gezeigt für eine linke Kraft, die sich gegen die Regierung stellt und gleichzeitig den Brandmauer-Konsens kritisiert: Ob ihre Opposition gegen die Anti-Russland-Sanktionen, die Waffenlieferungen an Israel oder die Aufrüstung, das BSW hat sich anders als die Linkspartei-Führung klar von der Regierung distanziert. Das BSW hat aber auch keine fortschrittliche Antwort, da es wie die Linkspartei eine Arbeitermobilisierung gegen den Imperialismus ablehnt und schon wenige Monate nach seiner Gründung in Koalitionsregierungen mit den bürgerlichen Pro-NATO-Kräften eingetreten ist. Aber sein kurzzeitiger Höhenflug, eben genau vor diesem Verrat, zeigt das Potenzial, dass die Arbeiter von der AfD weggewonnen werden können. Leider hat die Linke bisher das Gegenteil getan, das BSW oft ausgegrenzt und sich hinter der Brandmauer einbetoniert.
Die Wahrheit ist: Die AfD wird durch die Brandmauer nicht geschwächt, sondern gestärkt. Die Arbeiter werden durch diese Politik immer weiter von der Linken abgestoßen und damit auch vom Kampf für Palästina. Alle Sozialisten müssen jetzt dringend aufwachen, damit sie nicht mehr als Wasserträger der herrschenden Kräfte gesehen werden. Kämpfen wir konsequent für den Aufbau einer antiimperialistischen, sozialistischen Opposition gegen den Kurs der SPD- und Linkspartei-Führung!
- Weg mit dem Raumverbot für Medislam Collective, Studierendengruppe an der Charité! Nieder mit der anti-muslimischen Hetze! Unterschreibt auf openpetition.de!
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Weg mit der Kündigung Christophers!
Ende August gab es eine Demo zum Flughafen Leipzig/ Halle gegen den Völkermord in Palästina. Christopher, ver.di-Vertrauensmann bei DHL, sprach dort gegen Waffenlieferungen und wurde daraufhin fristlos gekündigt. Ver.di muss Christopher verteidigen! https://www.gewerkschafter4gaza.de/dhl-petition