https://iclfi.org/pubs/spk/229/your-party
Der nachfolgende Artikel wurde übersetzt aus Workers Hammer Nr. 256, Herbst 2025, Zeitung der Spartacist League/Britain.
Der Hass auf Starmers Labour Party erreicht neue Höhen, Farage verhandelt mit den Taliban über die Abschiebung von Flüchtlingen, und die am Boden liegenden Tories versuchen ihre Basis zurückzugewinnen, indem sie Farage übertrumpfen und versprechen, dass sie nicht nur Männer, sondern auch, anders als dieser Weichling Farage, Frauen und Kinder nach Afghanistan abschieben werden!
Angesichts dieses völlig miserablen Zustands der britischen Politik ist die Gründung von Your Party durch Jeremy Corbyn und Zarah Sultana in der Tat eine willkommene Entwicklung. Sie bietet eine echte Chance, eine linke Alternative zum Status quo zu schaffen, die Arbeiter von der Rechten abwerben und den Vormarsch von Farages Reform UK stoppen kann.
Aber das wird kein automatischer Prozess sein; der Weg dorthin ist ein einziges Minenfeld. Zunächst einmal gewinnt die Rechte an Boden, aber darüber hinaus leugnen auch noch viele Linke und Aktivisten, wie sehr die Linke in der Arbeiterklasse diskreditiert ist. Als ob das noch nicht schlimm genug wäre, gehen die meisten die Sache verkehrt an und diskutieren nicht als erstes die Gründe für die Kluft zwischen der Linken und den Arbeitern (aus Corbyns Politik etwas gelernt?), sondern streiten über organisatorische Fragen und darüber, ob man für die Struktur den Föderalismus, gleiches Stimmrecht für alle oder den Losentscheid (wie soll das denn gehen?) bevorzugen sollte.
Es scheint eine große Illusion zu geben, dass die Arbeiterklasse durch gute und demokratisch beschlossene Losungen über Frieden, Gerechtigkeit, Antirassismus, Anti-Austerität und Sozialismus wie eine Motte vom Licht angezogen wird, dass sich alle zusammenschließen und vereinigen werden – Einwanderer, Minderheiten, weiße Arbeiter, Pro-Palästinenser, Transmenschen, Feministinnen, Umweltschützer und alle anderen, die genug haben vom kaputten Britannien. Unterdessen liefern sich Corbyn und Sultana heftige Cliquenkämpfe, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, und es gibt eine neue Kontroverse um die Transgender-Frage. Das ist, gelinde gesagt, kein guter Start.
Wenn es so weitergeht, könnte das Ganze in einer Katastrophe enden. Um erfolgreich zu sein, muss Your Party als ernstzunehmender Herausforderer von Reform UK hervortreten. Das kann sie nur, indem sie sich als Partei der Arbeiterklasse versteht, was bedeutet, dass sie verstehen muss, was die Arbeiterklasse nach rechts getrieben hat, dass sie ihre Lehren daraus zieht und diese Fehler nicht wiederholt. Außerdem muss sie eine harte Haltung einnehmen bei der Verteidigung aller Unterdrückten.
Die Aktivisten von Your Party müssen die organisatorischen Streitigkeiten und Revierkämpfe beiseitelassen und echte Antworten auf die schwierigen Fragen geben, die Britannien polarisieren: Einwanderung, zunehmender Ethnonationalismus, Anti-Transgender-Hysterie, Außenpolitik und der Zustand der Wirtschaft. Wenn es nicht gelingt, Lösungen für diese Probleme aus Sicht der Arbeiterklasse zu finden, ist das Scheitern der neuen Partei garantiert, was die Linke zu einer noch größeren Witzfigur machen und nur die Rechte stärken würde. Kurz gesagt: Your Party muss die Arbeiter für sich gewinnen!
Wie der Liberalismus die Arbeiter nach rechts trieb
Wenn die Strategie von Reform UK, die weiße Arbeiterklasse für sich zu gewinnen, darin besteht, die Stimme gegen das Establishment zu sein, warum ist es dann der Linken nicht gelungen, dasselbe zu tun? Sicherlich wird die Linke, wenn sie konsequent über Austerität und den Kampf gegen die Bosse spricht, auch zu einer Stimme gegen das Establishment. Warum hat sie dann nicht von der Unzufriedenheit mit dem System profitiert?
Die kurze Antwort lautet: Liberalismus. Aber „Was ist Liberalismus?“ fragen die Leute immer. Ist es nicht gut, liberal zu sein, „progressiv“ zu sein? Liberalismus ist die Nutzung „progressiver“ Ideen durch die herrschende Klasse, also die City of London, um ihre eigenen Interessen auf Kosten der Arbeiter voranzutreiben. Seit Jahrzehnten vertreten die herrschenden Klassen in Britannien wie auch in anderen westlichen Ländern eine aufgeklärte Sichtweise zu sozialen Fragen, während sie der Arbeiterklasse eins reinwürgen, indem sie große Teile der Industrie ins Ausland verlagern, ganze Regionen ihrer Industrie berauben, Gewerkschaften zum Schatten ihrer selbst machen und Arbeiterwohnviertel dem Verfall preisgeben.
Nicht überzeugend? Denkt an New Labour zurück: Blair bombte auf Befehl des Weißen Hauses den Irak in Schutt und Asche, ging ständig gegen die Gewerkschaften vor und trieb die massive Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen voran. Gleichzeitig war der Blairismus aber auch durch sozialliberale Politik geprägt wie Antirassismus, Feministinnen im Kabinett, massive Erhöhungen der Einwanderungszahlen und das Karfreitagsabkommen. Der Blairismus bediente bestimmte Teile der Gesellschaft mit Progressivität, während er gleichzeitig offen einen Angriff nach dem anderen auf die Arbeiterklasse startete. Diese Dynamik setzte sich unter den Tories fort und führte dazu, dass viele weiße Arbeiter „woke“ Ideen hassten und über diejenigen verbittert waren, denen diese angeblich zugutekamen, d. h. ethnischen und sexuellen Minderheiten, und die sie daher für die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen und den allgemeinen Zusammenbruch der Gesellschaft verantwortlich machten.
Es gibt kein besseres Beispiel dafür als die EU und den Brexit, eine entscheidende Frage für Britannien, bei der sich der Großteil des Establishments unter dem Banner „Remain“ zusammentat. Der Brexit war ein Referendum über den liberalen Status quo, der das Land schlicht und einfach zerstörte. Der Großteil der Arbeiterklasse hatte genug und wollte raus, sah sich jedoch einer Flut von Erpressungsversuchen seitens der City und der Progressiven vom Guardian ausgesetzt: Die Befürworter des Austritts seien Horden von rückständigen Nordländern (d. h. alle, die nördlich der Londoner Ringautobahn M25 leben) und ungebildete, immigrantenfeindliche Fanatiker, die Vielfalt hassen; kurz gesagt, Brexit-Befürworter seien Rassisten.
Diese Hysterie spaltete das Land in „rückständige Nordländer“ und „fortschrittliche Londoner“, begrub die echten Beschwerden der einheimischen Arbeiter, überließ sie Leuten wie Johnson und Farage und fesselte Einwanderer und ihre Verteidiger an den „progressiven“ Flügel der herrschenden Klasse, ihren wahren Feind!
Anstatt eine Opposition der Arbeiterklasse gegen die EU zu bilden, machten die meisten Führer der Linken und Gewerkschaften diese liberale Erpressung mit offenen Grenzen und Antirassismus in krimineller Weise nach. Dies gilt in erster Linie für Corbyn, der von seiner historischen Position „Leave“ abrückte und für „Remain“ warb, weil er es vorzog, an der Einheit mit den Blairisten festzuhalten, den stets treuen Dienern der City. So gelang es der Linken trotz aller Reden über Sozialismus und Arbeiterkämpfe nicht, sich als echte Alternative zu profilieren, weil sie völlig vom Liberalismus der herrschenden Klasse durchdrungen war. Entweder war sie unfähig zu erkennen, wie die herrschende Klasse „progressive“ Ideen nutzte, um den Rest des Landes zu ruinieren, oder sie begrüßte den Liberalismus bewusst als einen Schritt nach vorne.
In den letzten Jahrzehnten war dieselbe Dynamik bei einer ganzen Reihe von Fragen ständig am Werk, was es der Rechten leicht machte, mit giftiger Feindschaft gegen Einwanderer und LGBTQ+ die Reaktion anzustacheln. Die Gewerkschaften ihrerseits verfügen zwar über ein immenses Potenzial zur Organisierung der multiethnischen Arbeiterklasse, werden aber von Tag zu Tag mehr zu einer Farce: Sie organisieren Kampagnen gegen Rassismus und gegen alles Mögliche, sind aber unfähig, echte Erfolge zu erzielen (nein, geringfügige jährliche Lohnerhöhungen sind keine Erfolge), was die Arbeiter nur noch weiter wegtreibt. Die Streikwelle von 2022/23 war ein typisches Beispiel dafür. Sie wurde von Gewerkschaftsführern, die sich nicht dazu durchringen konnten, die Tory-Regierung von ihrer Misere zu erlösen, in eine Niederlage getrieben. Würden Starmers Labour Party oder die Rechte so mutig handeln, wenn sie Angst vor der Macht der Gewerkschaften hätten? Auf keinen Fall.
Your Party und alle, die auf sie schauen, müssen verstehen, wie es dazu gekommen ist: Jahrzehntelange Angriffe der City unter dem Banner progressiver Ideen, ohne dass es eine glaubwürdige Kraft auf der Linken und in der Arbeiterbewegung gab, die diesem liberalen Gift grundlegend entgegenwirken konnte – das hat die Arbeiter zum nativistischen Gift der Rechten getrieben als der einzigen Stimme gegen Establishment und Liberalismus, und letztlich gegen Einwanderer und Minderheiten aufgebracht. Natürlich gibt es hier und da Nuancen, aber nur vorsätzliche Idioten oder Apologeten des Liberalismus und der Gewerkschaftsspitzen werden die groben Züge unserer Erklärung leugnen. (Wir begrüßen natürlich jede Debatte.) Um eine Wiederholung vergangener Fehler zu vermeiden und Einigkeit in der multiethnischen Arbeiterklasse zu schaffen, ist ein politischer Bruch mit dem Liberalismus dringend erforderlich. Und zufälligerweise ist das die zentrale Lehre aus dem Corbynismus.
Your Party: Warum so cliquenhaft und bürokratisch?
Eine Million Menschen haben sich in die Mailingliste von Your Party eingetragen, inoffizielle Ortsgruppen entstehen bereits, und Aktivisten veranstalten eine Reihe von (manchmal chaotischen und undemokratischen) Treffen. Gleichzeitig gibt es von Beginn an ständige Dramen zwischen den gesichtslosen und namenlosen Cliquen hinter Corbyn und Sultana. Viele befürchten zu Recht, dass Your Party sich in ein bürokratisches und fraktionelles Chaos verwandelt und sich selbst zerstören könnte. Was steckt dahinter und wie können wir das verhindern?
Die Ursache für den Bürokratismus ist die unglückliche Kombination aus fehlender Strategie und karriereorientierten Ambitionen (wer hat wirklich geglaubt, Corbyn und Sultana stünden über Karrierismus?). Ohne sinnvolle Antworten auf irgendetwas und ohne echte Unterschiede drehen sich alle Kämpfe letztendlich um zweitrangige Fragen und werden letztlich auf organisatorischer Ebene ausgetragen: Wie kann man Strukturen und Verbindungen am besten nutzen, um sich Einfluss, Führungspositionen, Geld usw. zu sichern? Politik und leere Parolen von Klassensolidarität sind bei diesen internen Machtkämpfen nur Anhängsel, die die Hoffnung der Massen am Leben erhalten sollen.
Skeptisch? Lasst uns konkret werden. Sowohl Corbyn als auch Sultana haben sich öffentlich bekämpft, wobei Sultana Corbyns Kapitulation gegenüber dem verleumderischen Vorwurf von Antisemitismus kritisierte und Corbyn sie dafür zurechtwies; sie sind sich über die Grünen nicht einig, und es gibt viele andere Themen, die drohen die Partei auseinanderzureißen, wenn sie ungelöst bleiben. Doch statt echter und offener Debatten sehen wir eine riesige Geheimniskrämerei und eine lächerliche Fokussierung auf die Parteistruktur. Corbyn will eine Föderation, d. h. einen Zusammenschluss verschiedener Einheiten und Gruppen unter dem Dach von Your Party, aber Sultana will eine „einheitlichere“ Struktur mit „One Member One Vote“ (OMOV – jedem Mitglied eine Stimme). Beide bestehen darauf, dass ihr Modell das beste für die Gewährleistung von Demokratie ist, und die „Basis“-Aktivisten wollen in schlaflosen Nächten herausfinden, welche Struktur die beste ist – schließlich haben beide ihre Vor- und Nachteile, wie soll man sich also entscheiden?
Sultanas OMOV ist auf ihr Ziel ausgerichtet, sich die gemeinsame Führung mit Corbyn zu sichern und ihre Karriere als das Gesicht der britischen Linken voranzutreiben. Wie genau hilft ihr OMOV dabei? Damit wird es nämlich möglich, sich an die Massen zu wenden (Hurra, Demokratie!) gegen die amtierenden Gewerkschaftsspitzen, unabhängigen Ratsmitglieder und Parlamentsabgeordneten und sogar gegen sozialistische Gruppen, die alle um ihr Revier (sprich: „lokale Themen“) besorgt sind. Auf der anderen Seite passt Corbyn besser das föderale Modell, weil es ihm ermöglicht, Tatendrang vorzutäuschen, während er sich der Verantwortung entzieht, harte Positionen vermeidet und eben Corbyn bleibt (d. h. ein Vermittler). In Wirklichkeit ist beides von Natur aus nicht demokratisch, da beides den Interessen dieser beiden großen Führer dient und nicht denen der Arbeiterklasse: Eine Föderation gibt den verräterischen Gewerkschaftsführern und lokalen Politikern mehr Einfluss; die OMOV-Demokratie garantiert, dass Kritiker und Nörgler in Massenmeetings auf Zoom untergehen, die immer als Tummelplatz der Verantwortlichen dienen.
Über die spezifische Cliquen-Dynamik hinaus geht es beim aufkommenden Bürokratismus in Your Party im Grunde darum, die verschiedenen Widersprüche in Grenzen zu halten, die an der noch zu bildenden Partei zerren. Bürokratismus ist nicht die böse Schöpfung „böser Menschen“, sondern die unvermeidliche Folge versöhnlerischer Haltung gegenüber der herrschenden Klasse. Wir können dies bereits an Corbyns wütender Reaktion sehen (wo bleibt seine Ausstrahlung als netter Opa?!), als er gefragt wurde, ob er antizionistisch sei. Das Problem, mit dem er bei der Frage des Zionismus und vielen anderen Fragen konfrontiert ist, besteht darin, dass er nicht zwischen den Fronten stehen kann. Wenn er die roten Linien der herrschenden Klasse in Bezug auf Israel respektiert, um die kleinen Bürokraten, karriereorientierten Ratsmitglieder und lokalen „Persönlichkeiten“, die zur neuen Partei strömen, zu beschwichtigen, muss er zwangsläufig die radikalen Bestrebungen seiner Basis mit Füßen treten. Dafür ist Bürokratismus unverzichtbar.
Das zeigt, dass die Partei, wenn sie nicht auf einem klaren Programm der Arbeiterklasse aufgebaut wird, welches die verschiedenen Konflikte zwischen unterdrückten Gruppen durch einen konsequenten Kampf gegen die gesamte herrschende Klasse überwinden kann, zwangsläufig die legitimen Bestrebungen bestimmter Teile der Partei unterdrücken muss, egal ob Transgender-Aktivisten, Kommunisten oder die Arbeiterklasse. Um den Bürokratismus zu bekämpfen, müssen wir natürlich für Regeln kämpfen, die den radikalsten Teilen der neuen Partei am meisten zugutekommen; aber das geht nicht in einem politischen Vakuum. Dieser Kampf muss auf einer Reihe klarer Prinzipien basieren, mit denen wir die Arbeiterklasse vereinigen können.
Wie man die Arbeiterklasse gewinnt und vereinigt
1. Palästina und die NATO
In Britannien gab es zwar einige der größten Pro-Palästina-Demonstrationen weltweit, aber sie fanden ohne Beteiligung großer Teile der Arbeiterklasse statt. Die Wahrheit ist, dass nicht jeder durch moralische Empörung zum Handeln bewegt wird; viele sehen in Palästina nicht etwas, das mit ihrem Leben zu tun hat, und ärgern sich sogar über diejenigen, die ihrer Meinung nach von „innenpolitischen Themen“ ablenken. Hinzu kommen noch diejenigen, die patriotisch sind oder in der Rüstungsindustrie arbeiten. Dass ein Anblick von solch unvorstellbarem Schrecken und Zerstörung wie in Gaza die Arbeiter nicht zu Massenaktionen aufgerüttelt hat, liegt nicht an ihrem moralischen Versagen, wie viele glauben. Es liegt daran, dass die pro-palästinensische Bewegung nicht in der Lage war, den Kampf für die Befreiung Palästinas mit den Bedürfnissen und Kämpfen der Arbeiterklasse zu verbinden.
Die pro-palästinensische Bewegung muss aufhören, sich auf leere Aufrufe zu Frieden und Gerechtigkeit zu verlassen, und stattdessen auf antiimperialistischer Grundlage Bündnisse mit der Arbeiterklasse schmieden (nein, Gewerkschaftsführer mit ihren Sonntagsreden zählen nicht). Sie muss zeigen, dass die Kämpfe der britischen Arbeiter für ihre Bedürfnisse untrennbar mit der Sache Palästinas verbunden sind und dass beides mit der Außenpolitik der herrschenden Klasse – NATO und Zionismus – zu tun hat.
Wenn es um die NATO geht, weisen viele schnell darauf hin, dass viele Arbeiter das Bündnis unterstützen. Das ist wahr, aber die Antwort darauf ist, nicht zurückzuweichen, sondern die Arbeiter davon zu überzeugen, warum es wichtig ist, sich gegen die NATO zu stellen. Das Argument ist einfach: Alle Kriege Britanniens in letzter Zeit dienten dazu, sich seine Position als oberster Handlanger der USA zu sichern; die Arbeiter, die geschickt wurden, um zu töten und getötet zu werden, haben dabei verloren, und dies hat nur neue Probleme geschaffen, die in Form einer Flüchtlingskrise heimgekehrt sind. Weitere Kriege für die immer verrückter werdenden Pläne des Weißen Hauses werden Britannien in die Spirale einer Katastrophe stürzen. Wie zuvor wird die Arbeiterklasse als erste darunter leiden, sei es durch Austerität oder durch Wehrpflicht. Der Weg, um aus dieser Spirale auszubrechen, besteht darin, jede Bindung an die USA, die NATO und den britischen Imperialismus zu kappen.
Während Trump die Verbündeten unter Druck setzt, mehr für die NATO zu blechen, sind viele in linken und liberalen Kreisen empört. Aber jeder, der diese rote Linie des britischen Establishments überschreitet, ist eine Persona non grata, was denjenigen in die unmögliche Lage bringt, gleichzeitig gegen die NATO zu sein und die Downing Street Nr. 10 im Visier zu haben. Die Lösung besteht dann darin, dass man eine freundlichere NATO fordert (à la Zack Polanski, neuer Vorsitzender der Grünen), während man die Partnerschaft Britanniens mit den USA aufrechterhält und damit der schrecklichen Illusion Nahrung gibt, dass Britannien und allgemein die NATO eine wichtige Rolle spielen bei der Gewährleistung von Sicherheit oder der Verteidigung von Demokratie gegen Autoritarismus (d. h. beim Krieg in der Ukraine).
Ob zur NATO oder zu Palästina – durch ihre Zweideutigkeiten machen die Liberalen letztendlich Zugeständnisse bei wichtigen Prinzipien wie Antizionismus und Antiimperialismus. Aber sie verwerfen auch Argumente, mit denen sie die Arbeiterklasse am ehesten für sich gewinnen könnten: solche, die auf einer klaren Klassenopposition gegen die herrschende Klasse beruhen. Genau deshalb ist es bei diesen Fragen, wie auch bei allen anderen, notwendig, die Liberalen loszuwerden, um die Arbeiterklasse für sich zu gewinnen.
2. Keine Bündnisse mit den Grünen
Your Party muss sich gegen alle Bündnisse mit den Grünen und gegen die pro-grüne Agenda aussprechen. Da die Grünen bei der letzten Parlamentswahl eine Menge Stimmen von der Labour Party gewonnen haben und der neue Vorsitzende Polanski radikale Wahrheiten ausspricht, steht Your Party unter Druck, sich mit den Grünen zusammenzuschließen oder Koalitionen mit ihnen zu bilden, um die progressive Wählerbasis zu festigen. Das wäre ein Fehler, der die arbeitende Bevölkerung wegtreiben würde.
Die Politik der Grünen ist der Inbegriff des kleinbürgerlichen Großstadtliberalismus. Große Teile der arbeitenden Bevölkerung hassen die grüne Agenda, weil die herrschende Klasse die Sorge um die Umwelt vereinnahmt hat, um zahllose Angriffe gegen die Arbeiter zu starten und Fabriken unter dem Banner der Netto-Null zu schließen.
Die Klimakrise ist real und es müssen dringend Lösungen gefunden werden, aber die Lösung der Grünen besteht darin, den Status quo auf Kosten der Arbeiterklasse zu optimieren, was ein sicherer Weg in die Katastrophe ist. Nehmen wir ULEZ als Beispiel: Die Erhebung einer halsabschneiderischen Gebühr für jeden Tag, an dem jemand mit einem umweltschädlichen Auto nach London fährt, ändert qualitativ nichts an den Klimaproblemen Londons oder Britanniens. Auch gefüllte Kassen des Londoner Bürgermeisters verbessern entgegen vielen Versprechungen nicht den öffentlichen Nahverkehr. Es handelt sich um eine reine Steuer für Werktätige, die sich keine „sauberen“ Autos leisten können.
Your Party darf sich nicht auf die grüne Agenda einlassen und muss sich Sultanas Annäherungsversuchen an die Grünen widersetzen. Stattdessen muss sie Umweltaktivisten davon überzeugen, dass gerade ihre Verbindung zum Liberalismus die Arbeiterklasse entfremdet, die einzige Kraft, die die Gesellschaft in eine positive Richtung verändern und letztendlich die Klimakrise lösen kann.
3. Das Transgender-Dilemma
Die Transgender-Frage zeigt am deutlichsten, wie leicht Your Party durch Differenzen auseinanderfliegen kann. Die Spannungen über die Transgender-Frage sind der jüngste Skandal, als Adnan Hussain, Parlamentarier der Unabhängigen und Sekretär von Your Party, sich in einem Tweet für „single sex spaces“ von Frauen (ausschließlich für Frauen zugängliche Räume) aussprach, zu denen Transfrauen keinen Zutritt haben. Seitdem haben viele Corbyn und Sultana aufgefordert, ihn zu verurteilen, woraufhin Sultana twitterte: „Fanatismus hat keinen Platz“ in der neuen Partei, was ihr jedoch hitzige Reaktionen von den Sympathisanten Hussains einbrachte. Schnell kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Seiten über Rückständigkeit, Muslime, konservative Frauen und die „woke“ Linke – sehr zur Freude der Rechten.
In einem ihrer Tweets wies Sultana treffend darauf hin: „Dieselben Kräfte, die Migranten und Muslime ins Visier nehmen, greifen auch LGBTQ+-Personen an, insbesondere Transmenschen.“ Das ist wahr, aber es wird viel mehr nötig sein, um die LGBTQ+-Bewegung und die muslimische Gemeinschaft wirklich zusammenzubringen. Der einzige Weg, die giftigen Debatten zu dieser Frage zu beenden, besteht darin, falsche Ansichten auf beiden Seiten frontal anzugehen.
Ausgangspunkt muss die Verteidigung der Rechte von Transmenschen sein. Es ist unerlässlich, dass die neue Partei Muslimen und anderen sozial konservativen Teilen der Gesellschaft geduldig erklärt, warum es in ihrem eigenen Interesse liegt, sich gegen die reaktionären Angriffe auf Transmenschen zu wehren. Wir müssen uns entschieden gegen Kommentare wie die von Adnan Hussain wehren und aufzeigen, dass Einschränkungen der Rechte von Transmenschen auf Zugang zu Einrichtungen, die ihrem Geschlecht entsprechen, ebenso eine Verletzung der bürgerlichen Freiheiten darstellen wie das in vielen Ländern durchgesetzte Kopftuchverbot. Der Punkt ist, dass jeder Mensch frei entscheiden können soll, was er mit seinem Körper tun möchte. Dies sollte ein einigendes Grundprinzip in Your Party sein.
Das Hauptziel muss sein, die ansteigende Welle der Reaktion zurückzudrängen. Dazu müssen wir nicht mit allem übereinstimmen, was der andere denkt, sondern die Rechte des anderen verteidigen. Wir sollten nicht erwarten, dass alle Muslime mit einer Geschlechtsumwandlung einverstanden sind, und auch nicht erwarten, dass die Sozialisten in Your Party mit der Verschleierung von Frauen einverstanden sind. Es geht darum, sich gegen einen gemeinsamen Feind zusammenzuschließen.
Damit das jedoch eine Chance hat, müssen Pro-Transgender-Aktivisten die prekäre Lage, in der sie sich befinden, berücksichtigen und ihre Strategie an diese Bedingungen anpassen. Sie müssen verstehen, dass die sozial konservativen Ansichten zu Geschlecht und Sexualität in der muslimischen Gemeinschaft oder in der Arbeiterklasse nicht durch moralische Erpressung oder durch Schockieren ihrer Empfindungen verschwinden werden. Die scharfe Trennung der Geschlechter in der Gesellschaft ist nicht einfach das Produkt konservativer Ideen, sondern hat ihre Wurzeln in der jahrtausendealten Institution der monogamen Familie. Diese Institution kann man nicht einfach wegschämen. Man muss die gesellschaftlichen Bedingungen verändern, und das kann man nicht isoliert von der übrigen Gesellschaft tun.
Was heißt das konkret? Es bedeutet sicherlich nicht, bei den Rechten von Transmenschen Zugeständnisse zu machen. Aber es bedeutet doch, gewisse Anpassungen vorzunehmen, um sozial konservative Schichten der Gesellschaft zu erreichen. Wenn es zum Beispiel um Frauenhäuser geht, sollten wir darauf bestehen, dass Transfrauen Zugang zu Frauenhäusern haben. Aber wir sollten auch fordern, dass mehr Frauenhäuser gebaut werden und in einigen davon sozial konservative Frauen versorgt werden, die auf einer strikten biologischen Trennung bestehen. Nur durch einen solchen flexiblen (und nicht-liberalen) Ansatz lässt sich ein Bündnis zwischen Transgender-Aktivisten und anderen unterdrückten Teilen der Gesellschaft aufbauen.
4. Das Schlamassel mit der Einwanderung
Es wird schon etwas beängstigend, in Britannien zu einer Minderheit zu gehören. Die vorherrschende Strategie zur Gegenwehr besteht darin, diejenigen, die zum Einwanderungsproblem Fragen stellen, als „Rassisten“ zu beschimpfen, anstatt das Problem auf den liberalen Status quo der letzten 30 Jahre zurückzuführen. Dieses hysterische Verteidigungsmodell treibt die Menschen nur zu rassistischen Reaktionen und stärkt die extreme Rechte, was letztendlich die Verteidigung der Einwanderer untergräbt.
Das Wichtigste bei jeder Art von Gegenwehr gegen rassistische Reaktionen ist, dass man in keiner Weise als Verteidiger des aktuellen Status quo wahrgenommen wird. Es ist nicht an sich schon rassistisch, die Politik der aktuellen Regierung abzulehnen, die Flüchtlinge in benachteiligten Gemeinden unterbringt oder die Masseneinwanderung fördert, damit Britanniens Wirtschaft noch etwas länger vor sich hin stottert. Um überzeugend zu zeigen, dass Farage Einwanderer zum Sündenbock macht und die wahren Schuldigen ungeschoren davonkommen lässt, dürfen wir nicht davor zurückschrecken, anzuerkennen, dass der Status quo eine Katastrophe ist. Nur dann können wir uns überhaupt erst Gehör für sozialistische Lösungen verschaffen, die den Ursachen des sozialen Niedergangs Britanniens auf den Grund gehen (siehe den Artikel in Workers Hammer Nr. 256: „How NOT to fight the right“).
Die Aufgabe für Kommunisten
Um erfolgreich zu sein, muss Your Party die Arbeiterklasse und die Unterdrückten vereinigen. Viele in der sozialistischen Linken werden dem zustimmen. Der eigentliche Kampf wird darum gehen, wie dies zu erreichen ist. Wir haben argumentiert, dass dies nur durch einen unnachgiebigen Kampf gegen den Einfluss des Liberalismus in der Partei geschehen kann. Die meisten Gruppen werden diesen Kampf entweder ablehnen oder seine zentrale Bedeutung herunterspielen, indem sie endlos über das perfekte 5-, 10- oder 20-Punkte-Übergangs- oder Revolutionsprogramm diskutieren oder darüber, ob es Verstaatlichungen oder Enteignungen mit Entschädigung geben soll.
Die Unterschiede bei der revolutionären Linken in dieser Entwicklungsphase der Partei bestehen nicht darin, wer am lautesten nach Sozialismus oder Kommunismus ruft, sondern in den Aufgaben: Wie wird die extreme Linke die Politik dieser Partei gestalten und für die Stärkung der Position der Arbeiterklasse kämpfen? Wie können Sozialisten diesen Moment nutzen, um das Kräfteverhältnis der Klassen in Britannien zu verändern?
Unserer Ansicht nach haben Marxisten zwei miteinander zusammenhängende Aufgaben: Erstens, wie wir immer wieder betont haben, so hart wie möglich für einen Bruch der Arbeiterklasse mit dem Liberalismus zu kämpfen, indem wir die Klassenpolarisierung über zentrale Fragen verschärfen. Die marxistische Bewegung weiß seit langem, dass jede Partei der Arbeiterklasse politisch unabhängig von der herrschenden Klasse, ihrer Ideologie und allen damit verbundenen Elementen sein muss. Wenn wir nicht dafür kämpfen, werden die pro-sozialistischen Impulse der Unterstützer dieser Partei – Widerstand gegen die herrschende Klasse, den Imperialismus und den Zionismus – durch die Versöhnung mit dem Status quo versumpfen, was den Weg zu einem weiteren Corbyn-Debakel ebnen wird.
Die zweite Aufgabe muss darin bestehen, linke Elemente für das Banner des Leninismus zu gewinnen, das einzige Gegenmittel gegen die Plage linker Labour-Politik. Dazu müssen wir einen revolutionären Flügel zusammenfügen, der in Debatten aufzeigt, warum das marxistische Programm (ja, einschließlich der Diktatur des Proletariats) unerlässlich ist, um die reaktionären Polarisierungen zu überwinden und die Kämpfe der Arbeiterklasse jetzt voranzubringen.
Die Gründung von Your Party bietet linken Gruppierungen die Gelegenheit, bei gemeinsamen Themen zusammenzuarbeiten und politische Differenzen auszutragen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass die Linke mit ihrem üblichen cliquenhaften Modus Operandi Schluss macht und immer die Interessen der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt stellt.