https://iclfi.org/spartacist/de/2025-trans
Der folgende Artikel wurde übersetzt aus Women and Revolution Nr. 46 vom Februar 2025.
Zurück an der Macht hat Donald Trump keine Zeit verloren, um eine Lawine von Anti-Transgender-Maßnahmen loszutreten. Dies verschärft einen weltweit zu beobachtenden Trend. Reaktionäre aller Couleur verweisen auf die relativ begrenzten Fortschritte für Transpersonen als Beweis für den moralischen und sozialen Verfall des Westens. Mehr als jede andere Gruppe haben Transmenschen den drastischen politischen Rechtsruck zu spüren bekommen. Parteien und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die noch vor nicht allzu langer Zeit eine liberale Haltung in der Transgender-Frage an den Tag legten, versuchen nun krampfhaft, sich zu distanzieren. Zunächst haben sie das Thema einfach vermieden. Doch sehr schnell schließen sich die Liberalen von gestern dem reaktionären Chor an, in der Erkenntnis, dass ihre Karriere im Establishment davon abhängt.
Warum hat es die Reaktion so sehr auf die Transgender-Bewegung abgesehen? Die LGBTQ+-Bewegung ist sich des krassen Umschwungs der öffentlichen Meinung zwar bewusst, kann sich die Gründe dafür aber größtenteils nicht erklären. Daher gibt es derzeit keine schlüssige Perspektive, wie man sich in diesem feindlichen Umfeld wehren kann. Die Transgender-Bewegung ist zunehmend isoliert und politisch desorientiert und weiß nicht, was sie tun soll und wem sie vertrauen kann.
Die marxistische Bewegung war bisher nicht in der Lage, dieses Vakuum zu füllen. Viele selbsternannte Marxisten vertreten offen reaktionäre transfeindliche Positionen und verwenden analytische Methoden, die mehr mit denen der katholischen Kirche zu tun haben als mit denen eines ernsthaften marxistischen Theoretikers. Viele marxistische Parteien schweigen einfach zu dieser Frage. Andere, die die Angriffe auf Transmenschen anprangern, bieten keine ernsthaften Antworten oder Perspektiven an. Im Allgemeinen fügen sie einem grundlegend liberalen Programm lediglich Elemente marxistischer Rhetorik und Analysen hinzu.
Der vorliegende Artikel ist ein Beitrag zur Schließung dieser Lücke. Zunächst bietet er eine materialistische Erklärung für die gegenwärtigen Kulturkriege und erläutert, warum sie gerade jetzt stattfinden und warum sie nicht mit den Methoden des liberalen Gradualismus bekämpft werden können. Zweitens liefert er ein grundlegendes marxistisches Verständnis der Transgender-Frage, das dem reaktionären Empirismus der transfeindlichen Debatten ebenso entgegensteht wie dem liberalen Idealismus des Mainstreams der Pro-Transgender-Bewegung. Ausgehend von diesen beiden Eckpfeilern werden wir dann beginnen, vor dem Hintergrund zunehmender Reaktion und liberaler Verratspolitik das Gerüst eines proletarischen Programms für die Transgender-Befreiung aufzubauen.
Erster Teil: Gradualismus und die Gezeiten der Geschichte
In den letzten Jahrzehnten hat sich in der LGBTQ+-Bewegung die Ansicht durchgesetzt, dass die Geschichte ihre Höhen und Tiefen hat, aber, mit den Worten von Martin Luther King Jr.: „Der Bogen des moralischen Universums ist weit, aber er neigt sich der Gerechtigkeit zu.“ Schwule und Lesben durchlebten in den 1950er- und späten 1970er-Jahren schwere Zeiten moralischer Hysterie, doch schließlich wurden Einstellungen und Politik liberaler. Heute sind sie in vielen Gesellschaften Teil des Mainstreams und im gesamten politischen Spektrum akzeptiert. Man glaubte und manche glauben noch immer, dass das Gleiche für Transmenschen gilt: Trotz des derzeitigen Rückschlags werden wir früher oder später wieder auf dem richtigen Weg sein.
Diese ständig wiederholte Aussage klingt für viele Transgender-Menschen inzwischen hohl, und sie suchen bei der Linken nach radikaleren Antworten. Selbst die linksliberale Autorin Shon Faye schreibt in ihrem aufschlussreichen Buch Die Transgender-Frage (München 2022): „Im Kapitalismus kann es keine Trans-Befreiung und keine Trans-Emanzipation geben.“ Doch dieser zunehmende Radikalismus führt nicht unbedingt zu revolutionären Schlussfolgerungen. So schreibt Faye zum Beispiel auch: „Die einzige Hoffnung für trans Menschen, dass im Parlament positive politische Veränderungen umgesetzt werden, besteht in der direkten Einflussnahme durch Lobbyarbeit und letztendlich in der Wahl der Labour Party.“ Das zeigt: Man kann zwar grundsätzlich der Meinung sein, dass der Kapitalismus mit Trans-Rechten unvereinbar ist, aber wenn es konkret wird, dennoch schrittweise soziale Reformen und nicht eine Revolution für den Weg vorwärts halten.
Deshalb reicht es nicht aus, wenn Marxisten nur die Binsenweisheit aussprechen, dass Trans- oder Frauenbefreiung mit dem Kapitalismus unvereinbar ist. Man muss aufzeigen, warum revolutionäre Methoden der Arbeiterklasse zur Befreiung notwendig sind, im Gegensatz zu liberalen, reformistischen Methoden. Dazu müssen wir mit der zugrundeliegenden Illusion aufräumen, dass Fortschritte für LGBTQ+-Menschen früher möglich waren und auch sicher wieder möglich sein werden. Wir werden das tun, indem wir die konkreten Umstände aufzeigen, die diese Reformen überhaupt erst ermöglicht haben, wie diese Bedingungen rapide verschwinden und warum es selbstmörderisch ist, zu glauben, dass sie wiederkehren werden.
Von der Reaktion zum Liberalismus
Um zu verstehen, wie sich die Lage geschlechtsspezifisch unterdrückter Gruppen im Laufe der Zeit entwickelt hat, ist es notwendig, über die Ideen und Einstellungen in den einzelnen Köpfen hinauszugehen. Marx stellte bekanntlich fest: „Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d. h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht“ (Die deutsche Ideologie, 1845/46). Seit dem Zweiten Weltkrieg ist es die amerikanische Kapitalistenklasse, die die Welt wirtschaftlich, politisch und militärisch beherrscht. Daher haben sich die vorherrschenden Vorstellungen von Sexualität im Einklang mit den Interessen und Zielen des US-Imperialismus entwickelt.
Während der Höhepunkte des Kalten Krieges, als die kapitalistische Vorherrschaft bedroht war, war es für den US-Imperialismus vor allem wichtig, angesichts eines äußeren Feindes innere Stabilität zu sichern. So ist es kein Zufall, dass die „Lavender Scare“ [Lavendel-Panik] in den 1950er-Jahren – die moralische Panik über Schwule in der US-Regierung – eng mit der antikommunistischen McCarthy-Hexenjagd einherging. Es ist auch kein Zufall, dass Anita Bryant Ende der 1970er-Jahre ihren Kreuzzug gegen Homosexualität führte, als sich die USA gerade von den politischen und militärischen Rückschlägen erholen mussten, die sie in den 60er- und 70er-Jahren erlitten hatten.
Grundsätzlich gibt es keine wirksamere Waffe, um die Linke zu zerschlagen und ein Land hinter reaktionären Zielen zu vereinen, als sich auf die konservativsten gesellschaftlichen Vorurteile über Sexualität und Familie zu stützen. Selbst viele militante Aktivisten aus der Arbeiterklasse, die bereit sind, für ihre Überzeugungen Prügel und Gefängnis zu erdulden, knicken ein, wenn sie auch nur andeutungsweise mit sexueller Abweichung in Verbindung gebracht werden. Die Machthaber in den USA haben immer wieder moralische Panik über sexuelle Abweichung als Instrument der sozialen Kontrolle genutzt.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 hatten die USA allerdings keinen äußeren Feind mehr zu fürchten, gegen den sie mobilmachen mussten. Es ging ihnen vielmehr darum, ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einfluss auf jeden Winkel des Planeten auszuweiten. Vor diesem Hintergrund waren die universellen Werte von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten die perfekten ideologischen Werkzeuge, um ihre Einmischung und Vorherrschaft zu rechtfertigen. Da zudem der Klassenkampf abgeflaut war und es keine ernsthaften geopolitischen Rivalen gab, konnte sich die herrschende Klasse der USA zu Hause lockerere soziale Normen leisten und den wilden, profitablen Geist der konsumorientierten Individualität entfesseln.
Doch trotz aller Reden über Aufklärung und Freiheit in den 1990er-Jahren wurde die Liberalisierung der Homosexualität, insbesondere das Recht auf Ehe, vom Großteil des politischen Establishments in den USA immer noch als Tabu betrachtet. Erst nach der Finanzkrise von 2008 wurde unter US-Präsident Obama die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Damals musste die herrschende Klasse die Bedingungen für die Arbeiterklasse verschlechtern und gleichzeitig durch eine Aura des Fortschritts den Frieden wahren. Reformen bei sozialen Fragen wie der Ehe waren dafür perfekt, da sie in wirtschaftlicher Hinsicht nichts kosteten und eine natürliche Erweiterung der liberalen Prinzipien von Toleranz und Entscheidungsfreiheit des Einzelnen darstellten. Paradoxerweise war es gerade dem buchstäblichen Bankrott der liberalen Weltordnung zu verdanken, dass die Kapitalistenklasse bei der sexuellen Liberalisierung so weit vorankommen konnte.
Ähnliche Reformen fanden damals in der gesamten westlichen Welt statt, zum Beispiel in Frankreich, Deutschland und Britannien. Als das wirtschaftliche Fundament westlicher Vorherrschaft erodierte und die imperialistischen herrschenden Klassen die materiellen Lebensbedingungen angriffen, verließen sie sich mehr und mehr auf liberale ideelle Werte, um ihren Machteinbruch auszugleichen. So wurde der Pro-LGBTQ+-Diskurs zum Mainstream in der kulturellen und politischen Sphäre der meisten westlichen Länder: Sitcoms zeigten schwule Hauptdarsteller, und es wurde zur Norm, dass Unternehmen, Politiker und Bullen an Pride-Paraden teilnahmen. Eine solche liberale Ausrichtung verhalf nicht nur zu einer scheinheiligen Fassade von Fortschrittlichkeit, sondern bot zusätzlich einen willkommenen Knüppel, mit dem man auf Arbeiter, Einwanderer und Länder der Dritten Welt einschlagen konnte; jeglicher Opposition gegen den liberalen Status quo konnte man leicht mit dem Vorwurf der Rückständigkeit und des Chauvinismus entgegentreten.
Gesellschaftliche Liberalisierung ist gewiss fortschrittlich, aber die wirtschaftlichen Gründe, die ihr zu Beginn des 21. Jahrhunderts zugrunde lagen, waren in regressiven wirtschaftlichen Bedingungen und reaktionären Klasseninteressen verwurzelt. Das negiert nicht die langen und harten Kämpfe von Generationen von LGBTQ+-Aktivisten. Vielmehr erklärt es, warum sie bis zu einem gewissen Grad erfolgreich sein konnten und warum die Bewegung weniger radikal und zunehmend mit dem Konzernkapitalismus vereinbar wurde.
Die Transgender-Frage und der Niedergang der US-Hegemonie
Insgesamt haben sich die Bedingungen für Transmenschen ähnlich entwickelt wie die für Schwule und Lesben, allerdings mit deutlicher Verzögerung. Transgender-Rechte und das öffentliche Bewusstsein dieses Themas drangen gerade erst in den Mainstream vor, als die rechtspopulistische Reaktion in Fahrt kam. Im Jahr 2014 brachte das Time-Magazin ein Titelbild mit der Transgender-Schauspielerin Laverne Cox, auf dem zu lesen war: „Der Transgender-Wendepunkt: Amerikas nächster Kampf um Bürgerrechte“. Ein Jahr später kündigte Donald Trump seine erste Präsidentschaftskandidatur an.
Tatsächlich war die Transgender-Frage nicht nur der nächste Kampf des amerikanischen Liberalismus, sondern auch sein letzter. Das war das Äußerste, was er in Sachen sexuelle Liberalisierung erreichen konnte, bevor er an seine Grenzen stieß. Die Liberalen gingen in Bezug auf LGBTQ+ und andere soziale Themen so weit, um ihren schwindenden gesellschaftlichen Einfluss zu kompensieren. Doch während Liberale weiter vorpreschten, wurde die Gegenreaktion auf den Liberalismus immer stärker. Konservative gesellschaftliche Kräfte spüren diese zunehmende Schwäche und nutzen die Transgender-Frage als politischen Rammbock gegen den liberalen Status quo der letzten Jahrzehnte.
Einerseits verkörpert die Transgender-Frage die Grenzen des liberalen Reformismus in der Geschlechterfrage. Das Konzept von Entscheidungsfreiheit und Toleranz stößt an die wirtschaftlichen und sozialen Grenzen des Kapitalismus. Knappheit an materiellen Ressourcen und ureigenste konservative Interessen machen es letztlich unmöglich, eine Gesellschaftsordnung zu überwinden, die auf der monogamen heterosexuellen Familie basiert – eine Frage, die wir weiter unten noch genauer untersuchen werden.
Aber gleichzeitig verkörpert die Transgender-Frage heute auch die Grenzen der liberalen Weltordnung, die die USA nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet haben. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die wirtschaftlichen und sozialen Säulen dieser Ordnung mit den Interessen der herrschenden Klasse, die sie errichtet hat, kollidieren. Der Liberalismus ist für die USA immer mehr zu einem unnötigen Ärgernis geworden bei ihrem Bestreben, ihre Stellung in der Welt wiederzuerlangen. Wenn die Transgender-Frage ein solcher Brennpunkt in den Kulturkriegen ist, dann deshalb, weil sie an der Grenze zwischen der liberalen Ordnung der imperialen US-Hegemonie und der sich aus dem Niedergang des US-Imperiums herausbildenden neuen reaktionären Ordnung steht.
Was die Arbeiterklasse betrifft, so ist der Liberalismus für weite Teile zum Symbol für alles geworden, was sie am Status quo hasst. Jahrzehntelang mutete man ihr zu, im Namen leerer Ideale wirtschaftliche Angriffe und den Zerfall des sozialen Gefüges hinzunehmen. Nun ist es für die Rechte ein Leichtes, diese Unzufriedenheit auszunutzen, um eine allgemeine soziale Gegenreaktion in Gang zu setzen. Unmittelbar betroffen sind Minderheiten, aber das eigentliche Ziel ist es, den westlichen Imperialismus auf einen stärkeren Angriffskurs gegen die eigene Arbeiterklasse und gegen Rivalen im Ausland zu bringen. Da sich sowohl die herrschende Klasse als auch die Arbeiterklasse vom Status quo der letzten Jahrzehnte abwenden, gerät die Gesellschaftsordnung, die begrenzte Reformen für LGBTQ+-Menschen ermöglichte, in eine unaufhaltsame Krise. Das ist der eigentliche Grund für den tobenden Konflikt über die Transgender-Frage.
Die einzige Aussicht auf substanzielle Fortschritte für Frauen und sexuelle Minderheiten bestünde in einer erneuten und anhaltenden Periode weltweiten wirtschaftlichen Wohlstands. Doch das ist völlig ausgeschlossen, da die US-Kapitalisten entschlossen sind, ihre Herrschaft über die Welt aufrechtzuerhalten, und dies nur durch eine Verschärfung der nationalen Konkurrenz und eine allgemeine Senkung des Lebensstandards erreichen können (siehe: „Der Niedergang der US-Hegemonie & der Kampf um die Arbeitermacht“, Spartacist, deutschsprachige Ausgabe Nr. 34, Dezember 2023). Letztlich sind es die wirtschaftlichen Realitäten einer vom Imperialismus beherrschten Welt, die ernsthafte Fortschritte für alle unterdrückten Gruppen ausschließen, ganz zu schweigen von einem schrittweisen und reformistischen Weg zur Befreiung von Transmenschen.
Zweiter Teil: Die Frage des Geschlechts entwirren
Der Konflikt hinter den Kriegen um die Geschlechter
Bei der Debatte über die Transgender-Frage geht es zu einem großen Teil um Definitionen. Bevor wir in diese turbulenten Gewässer eintauchen, ist es wichtig, einen Blick auf die politischen Fragen zu werfen, die hinter den Kämpfen um Geschlechtsidentität, Geschlecht und Biologie stehen. Ein Großteil der Literatur zu dieser Frage beginnt mit Definitionen zur Begründung einer bestimmten politischen Perspektive. Das erscheint auf den ersten Blick logisch, aber in Wirklichkeit verleiht es der Debatte einen falschen Anschein von Objektivität. Hinter dem Konflikt der Definitionen verbirgt sich ein Konflikt der Interessen. Bevor wir also unsere eigenen Antworten und Definitionen geben, werden wir die politischen Ziele der Transgender- und Anti-Transgender-Bewegungen sowie unsere eigene kommunistische Weltanschauung darlegen.
Wie das Wort „Transgender“ schon andeutet, handelt es sich bei Transmenschen um Personen, die gesellschaftlich einem anderen Geschlecht zugeordnet werden möchten als dem, mit dem sie bisher sozialisiert wurden. Somit verfolgt die Transgender-Bewegung als politische Bewegung das Ziel, den Menschen solche Wechsel zu ermöglichen und gesellschaftlich akzeptabel zu machen. Die Art und Weise, wie sie die Welt erklärt, und die verschiedenen Argumente, die sie entwickelt, ergeben sich alle aus diesem politischen Ziel.
Die Mitglieder der Anti-Transgender-Bewegung, egal ob TERFs (trans-exclusionary radical feminists – radikale Feministinnen, die Transmenschen ausschließen), religiös motiviert, männlich-chauvinistisch oder sogar pseudo-marxistisch, sind sich einig darin, gegen die gesellschaftliche Anerkennung von Transmenschen zu kämpfen. Natürlich haben diese verschiedenen Strömungen unterschiedliche und oft gegensätzliche Interessen. Aber sie sind sich darin einig, dass sie es Transmenschen erschweren oder unmöglich machen wollen, gesellschaftlich als das Geschlecht akzeptiert zu werden, mit dem sie sich identifizieren. Die verschiedenen Theorien und Argumente, die sie entwickeln, sind alle auf dieses politische Ziel ausgerichtet.
Wie wir sehen können, dreht sich die Transgender-Debatte zwar größtenteils um den Unterschied zwischen biologischem Geschlecht und Geschlechtsidentität, um die Definition von Weiblichkeit usw., doch ist das nicht der Kern der Sache. Es geht einfach darum, ob es gesellschaftlich wünschenswert und zulässig ist, Menschen von einem Geschlecht zum anderen wechseln zu lassen. Um diese Grundsatzfrage geht es bei allen Streitigkeiten um Begriffe.
Als Kommunisten haben wir das politische Ziel, eine vollständig egalitäre Gesellschaft des Überflusses zu erreichen, frei von Klassen und allen anderen Formen der Unterdrückung, einschließlich derer, die durch die geschlechtsspezifische Spaltung der Gesellschaft verursacht werden. Somit sind unsere Ziele mit denen der Transgender-Bewegung vereinbar und überschneiden sich mit ihnen. Wir sind entschieden der Meinung, dass es ja den Menschen erlaubt sein muss, ihr Geschlecht zu wechseln und generell mit ihrem eigenen Körper zu machen, was sie wollen. Wir fordern auch, dass die Gesellschaft diesen Prozess erleichtern sollte. Aber darüber hinaus denken wir, dass der Kampf für Geschlechterbefreiung – einschließlich der Befreiung der Transmenschen – nicht nur mit dem Kampf für die Emanzipation der Arbeiterklasse vereinbar ist, sondern ein wesentlicher Bestandteil ihrer tagtäglichen Kämpfe in der heutigen Gesellschaft ist. Mit anderen Worten, die Aufgabe besteht nicht darin, auf die kommunistische Zukunft zu warten, sondern heute für diese Sache zu kämpfen.
Uns als Kommunisten zeichnet aus, dass wir in dem Kampf für die Transgender-Befreiung einen Teil des umfassenderen Kampfes für die Emanzipation der Arbeiterklasse sehen. Ein entscheidender Unterschied zur Transgender-Bewegung besteht auch in den Mitteln und Methoden, mit denen wir unsere politischen Ziele erreichen wollen. In unserem Kampf lassen wir uns von der Lehre des wissenschaftlichen Sozialismus, auch bekannt als Marxismus, leiten.
Biologie und Gesellschaft
Ein Großteil des Diskurses gegen eine größere gesellschaftliche Akzeptanz und Integration von Transmenschen dreht sich um die Biologie. Das Hauptargument ist, dass es einen unbestreitbaren biologischen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt und dass die Behauptung, eine Transfrau sei eine Frau, eine Leugnung grundlegender wissenschaftlicher Erkenntnisse darstelle. Dies führt zu der Frage, die von engstirnigen Talkshow-Moderatoren oder provokativen Youtubern gerne gestellt wird: „Was ist eine Frau?“ Jede Antwort, die nicht von einer Bekräftigung des wesentlichen biologischen Unterschieds zwischen Männern und Frauen ausgeht, wird dann lächerlich gemacht und abgetan.
Natürlich gibt es unbestreitbar grundlegende und qualitative biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber diese sagen nur sehr wenig darüber aus, was es bedeutet, in einer bestimmten Gesellschaft ein Mann oder eine Frau zu sein. Es ist einfach falsch zu glauben, dass soziale Beziehungen durch die Biologie bestimmt werden. Tatsächlich widerlegt die menschliche Evolution selbst diesen Mythos und zeigt eine ständige Wechselwirkung zwischen der Entwicklung von Kultur und Technik und den Veränderungen der physischen Anatomie. So führten beispielsweise die Entwicklung der Sprache und der Gebrauch von Werkzeugen direkt zum Wachstum des menschlichen Gehirns, d. h. die Kultur veränderte die Biologie. Das macht deutlich, dass die Biologie nicht der entscheidende Faktor für das Verständnis von menschlichen sozialen Beziehungen ist.
Genauso sind auch biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern weder unabhängig von den sozialen Beziehungen zwischen Männern und Frauen noch bestimmen sie diese. Die Fähigkeit, Kinder zu bekommen, ist kulturübergreifend von Bedeutung, aber was es konkret bedeutet, eine „Frau“ zu sein, ändert sich radikal je nach Kultur und Epoche. Die Betonung biologischer Merkmale eines weiblichen Menschen sagt nichts darüber aus, was es bedeutet, die Frau in einer modernen westlichen Gesellschaft oder eine Frau in einem traditionellen Dorf von Subsahara-Afrika zu sein. Deshalb ist es irreführend und kontraproduktiv, die Debatte über die Transgender-Frage in modernen kapitalistischen Gesellschaften auf die anatomischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu verengen.
Die Fangfrage „Was ist eine Frau?“ zielt darauf ab, die biologische und die soziale Bedeutung, eine Frau zu sein, zu vermischen. Um sie zu beantworten, muss man die beiden Aspekte entwirren. Dies machen Demagogen manchmal unmöglich. Aber allzu oft sind es die Pro-Transgender-Stimmen selbst, die zur Verwirrung der Angelegenheit beitragen.
Spektrum und Dichotomie
Wenn Anti-Transgender-Ideologen und die Gesellschaft im Allgemeinen darauf bestehen, dass es grundlegende biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, reagieren viele Trans-Intellektuelle mit einem fehlgeleiteten Angriff auf die bloße Vorstellung, dass es eine Dichotomie [Zweiteilung] zwischen männlicher und weiblicher Biologie gibt. Die meisten werden nicht leugnen, dass es wichtige Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, aber sie werden darauf bestehen, dass diese ein Spektrum bilden und dass die Geschlechterbinarität eine reine Erfindung ist. Zur Untermauerung dieses Arguments verweisen sie auf die große Vielfalt der körperlichen Merkmale jedes Geschlechts und auf die Tatsache, dass es bei bestimmten intersexuellen Menschen nicht möglich ist, sie eindeutig als biologisch männlich oder weiblich zuzuordnen.
In seiner Revolte gegen starre soziale Kategorien geht der Trans-Akademiker Jack Halberstam so weit, den Drang zur „Kategorisierung“ von grundsätzlich allem in der natürlichen Welt anzugreifen:
„Die beinahe wahnhafte Fixierung auf die göttliche Wirkkraft des Benennens geht, wenig überraschend, auf die kolonialen Entdeckungsreisen zurück. Wer schon einmal einen botanischen oder zoologischen Garten besucht hat, weiß, dass die Sammlung, Klassifizierung und Analyse der Flora und Fauna mit den diversen Formen des Kolonialismus und der kolonialen Expansion einherging.“ (Trans*, Turia + Kant, Wien 2021)
Natürlich stimmt es, dass sich die Wissenschaft zusammen mit dem Kapitalismus und seinen vielen Verbrechen entwickelt hat, aber das Problem liegt nicht in der „Benennung“ und „Klassifizierung“ oder gar in der Wissenschaft an sich. Ohne Kategorien und Namen kann man die Welt, sei es die Natur oder die Gesellschaft, einfach nicht verstehen. Und wenn man die Welt nicht versteht, kann man sie auch nicht verändern.
Der springende Punkt ist, dass es in keiner Weise rückschrittlich ist, anzuerkennen, dass es tatsächlich eine Reihe von qualitativen biologischen Unterschieden zwischen Männern und Frauen – oder zwischen Pflanzen – gibt. Anzuerkennen, dass es eine Dichotomie gibt, stellt nicht die Tatsache in Frage, dass es innerhalb der Kategorien eine große Bandbreite gibt oder bestimmte Fälle, die schwierig zu klassifizieren sind. Alles in der Natur wird durch definierte Kategorien und vorübergehende Zwischenzustände kombiniert.
Die Evolution der Arten beispielsweise erfolgt durch einen Prozess, bei dem die Anhäufung kleiner genetischer Unterschiede schließlich zur Entstehung einer grundlegend anderen Art von Tieren oder Pflanzen führt. Es ist in der Regel unmöglich, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem Quantität in Qualität übergeht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ab einem bestimmten Punkt klar wird, dass eine qualitative Veränderung stattgefunden hat. Genauso wie wir sagen können, dass ein Tiger und ein Löwe zwei verschiedene Spezies sind, können wir sagen, dass ein männlicher und ein weiblicher Mensch zwei verschiedene Geschlechter sind. Das heißt nicht, dass es keine Liger oder intersexuellen Menschen gibt. Aber beide sind extreme Varianten innerhalb einer Dichotomie.
Variation und Gegensatz koexistieren in allem. Leugnet man erstere, landet man bei einer starren Sicht auf die Realität und wird blind für Veränderungen und Widersprüche. Leugnet man letzteren, landet man bei einer amorphen Sicht auf die Realität, wo alles relativ und subjektiv ist.
Um auf die Transgender-Frage zurückzukommen: Auf der einen Seite haben wir die Anti-Transgender-Ideologen, die die Welt nur durch die Brille starrer biologischer Kategorien betrachten. Dies führt dazu, dass sie bestimmte widersprüchliche Gegebenheiten ablehnen oder anprangern, nicht zuletzt solche, wo Menschen bewusst handeln, um Teile ihrer physischen und chemischen Existenz so zu verändern, dass sie sich den biologischen Eigenschaften eines anderen Geschlechts angleichen. Auf der anderen Seite haben wir viele Transgender-Aktivisten, die überhaupt jeden qualitativen Unterschied zwischen den Geschlechtern leugnen und so außerstande sind, sich auf intelligente Weise mit den Realitäten der physischen und sozialen Welt auseinanderzusetzen.
Die Transgender-Bewegung hat es nicht nötig, die Zweigeschlechtlichkeit zu leugnen, um ihre Sache voranzubringen. Ganz im Gegenteil, ein besseres wissenschaftliches Verständnis der biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen könnte durchaus eines Tages zu einer völligen Überwindung der biologischen Geschlechtsunterschiede führen. Allerdings liegt das Hindernis für dieses Ergebnis und allgemeiner für die Transgender-Befreiung nicht in der derzeitigen Begrenztheit der Wissenschaft, sondern in den gesellschaftlichen Verhältnissen des Kapitalismus.
Kapitalismus und Geschlechtsidentität
Das häufigste Argument der Transgender-Gegner ist, dass „ein Mann ein Mann“ und „eine Frau eine Frau“ ist, dass jeder weiß, dass dies wahr ist, und dass man nicht vom einen zum anderen wechseln kann. Für sie lebt jeder, der diese offensichtlichen „Tatsachen“ in Frage stellt, in einer Traumwelt. Eigentlich ist das Hauptargument gegen diese Argumentation, dass es viele Transmenschen gibt, die jeden Tag leben, ohne dass jemand es bemerkt oder sich darum kümmert, dass sie Transgender sind. Tatsächlich ist der Wechsel von einem gesellschaftlichen Geschlecht zu einem anderen ganz klar möglich. Aber damit ist die Debatte natürlich nicht erledigt. Im Grunde ist die Anti-Transgender-Bewegung der Meinung, dass solche Wechsel für die Gesellschaft schädlich sind und entweder gänzlich unterbunden oder stark eingeschränkt werden sollten.
Das wirft die Fragen auf: „Warum gibt es so viel Widerstand gegen den Wechsel des Geschlechts?“ und „Warum hält sich das Argument, dieser Wechsel sei unmöglich, so hartnäckig?“ Bei der Antwort müssen wir davon ausgehen, dass die Vorstellungen über Geschlechterrollen, Sexualität und Geschlechterwechsel nicht einfach in den Köpfen einzelner Menschen entstehen, sondern ein Spiegelbild der Gesellschaft sind, wie sie gegenwärtig organisiert ist.
In seinem brillanten Buch Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats (1884) erklärt Friedrich Engels, wie die Frauenunterdrückung, d. h. die Ungleichheit in den Geschlechterbeziehungen, im Entstehen der Klassengesellschaft und der Entwicklung der patriarchalischen Familie ihre Ursache hat. Seit der Epoche der Sklaverei bis hin zu den modernen kapitalistischen Gesellschaften ist diese Form der Familie die Grundeinheit gesellschaftlicher Organisation.
Jede moderne kapitalistische Gesellschaft ist um eine Norm herum organisiert, wo ein heterosexuelles monogames Paar Kinder großzieht, denen es seinen Besitz (sofern es welchen hat) vererbt. In diesem privaten Bereich der Familie werden wesentliche Aufgaben wie Kinderbetreuung, Erziehung, Pflege und Hausarbeit erledigt, vor allem von Frauen. Diese Familienstruktur ist eine wesentliche Institution des Kapitalismus. Gleichzeitig untergräbt der moderne Kapitalismus die Grundlagen dieser Institution, indem er Frauen ein gewisses Maß an finanzieller Unabhängigkeit verschafft, die Rolle der Kirche zersetzt und die Individualität fördert. Aber auch wenn die Norm unterlaufen werden kann, manchmal sogar in erheblichem Maße, schafft dies nicht die gesellschaftlichen Voraussetzungen, die notwendig sind, um die soziale Rolle der Familie vollständig zu ersetzen.
Einfacher ausgedrückt: Die Familie kann nur in dem Maße ersetzt werden, in dem ihre Aufgaben von der Gesellschaft übernommen werden. Je mehr Gesundheitsversorgung und Erziehung vergesellschaftet sind, desto weniger belasten sie die Familie. Je mehr die Einzelnen von wirtschaftlichem Konkurrenzkampf und Mangel befreit sind, desto freier sind sie, sich mit wem auch immer zu verbinden und so zu leben, wie sie wollen. Das Problem ist natürlich, dass der Kapitalismus solche Bedingungen höchstens ansatzweise schaffen kann. In der gegenwärtigen Periode kapitalistischen Niedergangs, in der die Produktivkräfte schrumpfen, werden wir nur einen Rückgang alles Erreichten und eine immer stärkere Abhängigkeit von der grundlegenden Familienstruktur erleben. Diese Realität steckt hinter der weltweiten Krise im Gesundheitswesen, bei Erziehung und Ausbildung und bei der Altenpflege.
Darüber hinaus haben die Kapitalisten ein unmittelbares Interesse daran, die traditionelle heterosexuelle Familie aufrechtzuerhalten, und zwar sowohl aus politischen Gründen (um die soziale Konformität zu stärken) als auch aus wirtschaftlichen – um einen großen Bestand an Arbeitskräften heranzuziehen und beizubehalten. Diese Faktoren deuten darauf hin, dass die wachsende Hysterie gegen Transgender-Personen nur der Anfang einer Welle der Reaktion ist, die sich letztlich gegen Frauen und alle richten wird, die nicht genau den starren Normen der monogamen Familie entsprechen.
In den westlichen Gesellschaften steht das Christentum an vorderster Front der Anti-Transgender-Kampagne. Mit ihren unveränderlichen, von Gott selbst diktierten Moralvorstellungen bietet die Religion eine Doktrin, die die Unantastbarkeit des Privateigentums, die Unterordnung der Frau unter den Mann und natürlich die Unabänderlichkeit des eigenen Geschlechts festschreibt. Die Religion als Institution ist seit jeher die beständigste Fürsprecherin der patriarchalischen Familie und ein Stützpfeiler konservativer sozialer Normen und Werte.
Doch so, wie der Kapitalismus die Grundpfeiler der heterosexuellen Familie aushöhlt, untergräbt er auch den Einfluss der Religion. In den meisten westlichen Gesellschaften haben die Realitäten des modernen Lebens dazu geführt, dass sich die Mehrheit nicht mehr an eine starre Auslegung religiöser Texte hält. Selbst bei religiösen Menschen wächst die Akzeptanz für die Gleichstellung von Männern und Frauen, die Rechte von Schwulen und Lesben und bis vor kurzem auch Transgender-Rechte.
Religiöse Argumente für sich genommen waren nicht besonders wirksam, um die Anti-Transgender-Reaktion zu fördern. Vielmehr ist es dem traditionellen konservativen Denken gelungen, durch die Verteidigung der Weiblichkeit eine Verbindung zum moderneren ideologischen Diskurs herzustellen. Ironischerweise hat der Feminismus in der Transgender-Frage gerade den patriarchalischen Werten, die er zu bekämpfen sucht, in die Hände gespielt.
Warum gibt es TERFs?
In Britannien, das von vielen als Epizentrum der transfeindlichen Gegenreaktion angesehen wird, verläuft die Debatte zum großen Teil zwischen Transgender-Befürwortern und Feministinnen, die sich manchmal als progressiv oder sogar links verstehen, den sogenannten TERFs. Das grundlegende Argument der Feministinnen gegen die Stärkung von Transgender-Rechten ist, dass es auf Kosten der hart erkämpften Rechte der Frauen gehe. Es gibt sehr bigotte Versionen dieses Arguments, wo Transfrauen im Wesentlichen beschuldigt werden, lüsterne sexuelle Perverse zu sein, die auf „Aneignung“ von Weiblichkeit aus sind. Doch die wirksamsten – und gefährlichsten – Varianten dieser Argumentation werden von liberal klingenden Frauen wie Kathleen Stock vorgebracht, einer sanftmütigen Akademikerin, die selbst lesbisch ist.
Gegen Leute wie Stock funktioniert es nicht, sie einfach niederzuschreien und ihnen vorzuwerfen, sie seien transfeindliche Fanatiker. Um das feministische Argument gegen Transgender-Rechte zu entkräften, muss man vielmehr verstehen, was hinter dem Konflikt steckt. Was hat Frauen wie Stock oder J. K. Rowling dazu veranlasst, sich in die Debatte über die Transgender-Frage einzuschalten, und – was noch wichtiger ist – was hat ihre Interventionen bei vielen populär gemacht? Die einfache Antwort ist, dass sie als Vorkämpfer gegen Frauenunterdrückung auftreten. Sie nutzen die Tatsache, dass Frauen Gewalt ausgesetzt sind, weniger wirtschaftliche Möglichkeiten haben und mit allen möglichen sexuellen Vorurteilen zu kämpfen haben, um Transfrauen als Konkurrenten bei Frauenrechten darzustellen.
In ihrer Broschüre „Beyond Binaries“ (Juli 2024 – Jenseits der Binarität) weist die Socialist Workers Party (in Britannien) das Argument der TERFs kurzerhand zurück und schreibt: „Die Rechten – und einige Sozialisten und Feministinnen, die ihnen linke Rückendeckung gegeben haben – begründen ihren Widerstand gegen die GRA-Reform [Gender Recognition Act, rechtliche Anerkennung von Geschlechtsidentitäten] mit der Lüge, Transfrauen seien eine Bedrohung für die Rechte der Frauen“ (unsere Hervorhebung). Um es klarzustellen: Es ist falsch, die Sache der Frauen und die der Transmenschen gegeneinander auszuspielen. Allerdings ist es weder seriös noch wirksam, die Frage einfach als Lüge abzutun. Die Wahrheit ist: Wenn man die Sache ausschließlich durch das Prisma einer Gesellschaft betrachtet, die gegenwärtig so organisiert ist, dass jeder um einen begrenzten und schrumpfenden Pool von Ressourcen konkurriert, dann gibt es ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen der Verbesserung der Bedingungen für Transmenschen und der für Frauen.
Auf die Frage, wie dieses Spannungsverhältnis überwunden werden kann, werden wir später in diesem Artikel eingehen. Zunächst müssen wir jedoch darauf bestehen, wie wichtig es ist, die Realität dieses Interessenkonflikts anzuerkennen. Ob es sich um Sport, Preisverleihungen, Frauenhäuser, Gefängnisse, Toiletten oder Förderprogramme handelt, das Problem der begrenzten wirtschaftlichen Ressourcen ist allgegenwärtig. Oft sind von den strittigsten Fragen – wie die von Transfrauen im Spitzensport – die meisten Menschen in ihrem täglichen Leben nicht betroffen. Gleichwohl handelt es sich dabei um wichtige symbolische Fragen, die reale, dahintersteckende Spannungen konzentriert zum Ausdruck bringen.
Im Grunde genommen besteht das Problem darin, dass Transinklusivität nicht nur eine zusätzliche Belastung für die Ressourcen darstellt, die für Cis-Frauen (Nicht-Transfrauen) ohnehin bereits begrenzt sind, sondern auch die starre Geschlechtertrennung in Frage stellt, mit der die Gesellschaft organisiert ist. Während diese Trennung letztlich der Grund für die Unterdrückung der Frauen ist, werden die nach Geschlechtern getrennten Räume und Sozialprogramme von den meisten Frauen als wichtige Rechte angesehen, die ihnen in einer patriarchalischen und oft gewalttätigen Gesellschaft einen gewissen Schutz bieten. Der Weg vorwärts zur Integration und Zugehörigkeit von Transmenschen besteht darin, Antworten auf die verschiedenen Konflikte und Spannungen zu finden, von denen sowohl Transmenschen im Allgemeinen als auch Cis-Frauen profitieren. Solche Antworten lassen sich niemals dadurch finden, dass man den Interessenkonflikt leugnet oder herunterspielt oder behauptet, Bigotterie sei der einzige Faktor, der fortschrittlich eingestellte Frauen in eine transfeindliche Richtung treibt.
Das Problem besteht zum Teil darin, dass sowohl TERFs als auch LGBTQ+-Aktivisten die Welt durch eine feministische Brille sehen. Natürlich gibt es einen klaren Unterschied zwischen der reaktionären Rolle, die TERFs spielen, die aktiv darauf hinwirken, die Rechte von Transmenschen einzuschränken, und LGBTQ+-Aktivisten, die die Bedingungen für eine der am stärksten unterdrückten Gruppen der Gesellschaft verbessern wollen. Es ist schließlich kein Zufall, dass TERFs und rechtsextreme politische Strömungen immer mehr ineinander übergehen. Abgesehen davon gehen sowohl TERFs als auch der Mainstream der LGBTQ+-Bewegung in ihrer feministischen Weltsicht das Problem von Frauen und geschlechtsspezifischer Unterdrückung auf eine Weise an, die sich sowohl auf die Identität als auch auf das nach den gegenwärtigen sozialen und wirtschaftlichen Normen Mögliche fokussiert.
Zum Beispiel legen TERFs großen Wert darauf, wer zur Kategorie „Frau“ gehört und wer nicht. Das liegt daran, dass „Weiblichkeit“ die entscheidende Linse ist, durch die sie alle sozialen Beziehungen betrachten. Ob man eine Frau ist oder nicht, entscheidet darüber, ob man ein Unterdrücker ist oder nicht, ob man an reinen Frauentreffen teilnehmen darf und ob man vom „Männerprivileg“ profitiert oder nicht. Ein solches Weltbild trägt nicht nur sehr wenig dazu bei, die Lage der Frauen zu verbessern, sondern seine spalterische Logik führt zu einer immer stärkeren Zersplitterung und zu Konflikten zwischen verschiedenen unterdrückten Gruppen – angefangen bei den Feministinnen selbst.
Und die LGBTQ+-Bewegung des Mainstreams konzentriert sich darauf, Lobbyarbeit bei Unternehmen und Institutionen zu betreiben, damit diese ihre Sprache so ändern, dass sie eine ständig wachsende Zahl von Identitäten einbezieht. Dieses Beharren beruht auf der feministischen Vorstellung, dass Sprache und Vorstellungen, aber nicht materiell verankerte gesellschaftliche Institutionen, die Quelle der Unterdrückung sind. Diese Art von Aktivismus hat kaum positive Auswirkungen auf das Leben von Transpersonen, provoziert jedoch eine starke gesellschaftliche Gegenreaktion. Das klassische Beispiel ist J. K. Rowling, die sich über die Verwendung des Ausdrucks „Menstruierende“ lustig macht.
Wenn es um konkrete politische Entscheidungen geht, betrachten in der Regel beide Seiten der Debatte die Frage nur unter dem Blickwinkel, was innerhalb des politischen Mainstreams möglich ist. Ohne zu begreifen, dass es der Kapitalismus selbst ist, der allen unterdrückten Gruppen Ressourcen wegnimmt, schlagen Feministinnen, ob sie nun Transmenschen einbeziehen oder nicht, in der Regel Maßnahmen vor, die auf Kosten der materiellen Interessen oder Empfindlichkeiten einer anderen unterdrückten Gruppe gehen würden. Wenn zum Beispiel Transfrauen in den weiblichen Strafvollzug eingegliedert werden, ohne dass sich sonst etwas an der barbarischen Art und Weise der Inhaftierung ändert, führt das zwangsläufig zu Spannungen und sozial explosiven Vorfällen. Auch hier gilt: Ohne das Spannungsverhältnis zu verstehen, dessen Ursache die begrenzten Mittel und die bestehenden gesellschaftlichen Beziehungen sind, ist es unmöglich, Lösungen anzubieten, die zur Überwindung oder zumindest zur Minimierung von Konflikten zwischen unterdrückten Gruppen führen können.
Das Problem mit dem liberalen Idealismus
Wir haben bereits einige der Probleme der Pro-Transgender-Ideologie des Mainstreams angesprochen, soweit es Biologie und Feminismus betrifft. Bei beidem geht es um ein umfassenderes Thema: Die ideologische Grundlage der Bewegung ist idealistisch. Mit „idealistisch“ meinen wir eine philosophische Weltanschauung, für die nicht wirtschaftliche Verhältnisse die wesentliche Ursache für Unterdrückung sind, sondern falsche Vorstellungen, die in den Köpfen der Menschen herumschwirren.
Judith Butler ist eine führende Akademikerin auf dem Gebiet der Geschlechterforschung und hatte einen großen Einfluss auf die ideologischen Grundlagen der modernen LGBTQ+-Bewegung. Sie schreibt:
„Die politische Annahme, dass der Feminismus eine universale Grundlage haben müsse, die in einer quer durch die Kulturen existierenden Identität zu finden sei, geht häufig mit der Vorstellung einher, dass die Unterdrückung der Frauen eine einzigartige Form besitzt, die in der universalen oder hegemonialen Struktur des Patriarchats bzw. der männlichen Herrschaft auszumachen sei… Zweifellos verleiht der Feminismus dem Patriarchat einen universalen Status, um den Anschein des eigenen Anspruchs, repräsentativ zu sein, zu stützen. Doch hat diese Dringlichkeit bisweilen zu dem Kurzschluss geführt, dass die Herrschaftsstruktur eine kategoriale oder fiktive Universalität aufweist, die die unterworfene Erfahrung, die den Frauen gemeinsam ist, produzieren soll.“ (Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main 1991)
Hinter all dem Fachjargon bestreitet Butler, dass das „Patriarchat“, d. h. die Unterdrückung der Frauen, in einer bestimmten gesellschaftlichen Institution verwurzelt ist. Das heißt, Butler leugnet, dass die patriarchalische Familie die Institution ist, die die geschlechtsspezifische Spaltung der Gesellschaft fest- und fortschreibt. Folglich versucht Butler, geschlechtsspezifische Unterdrückung nicht durch die Schaffung gesellschaftlicher Verhältnisse zu bekämpfen, die die Familie als Institution ersetzen können, sondern durch die Infragestellung und Untergrabung bestehender gesellschaftlicher Normen:
„Als Strategie, um die Körper-Kategorien zu denaturalisieren und zu resignifizieren, werde ich eine Reihe von parodistischen Praktiken beschreiben und vorschlagen, die auf einer performativen Theorie der Geschlechter-Akte (gender acts) beruhen. Dabei geht es um solche Akte, die die Kategorien des Körpers, des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und der Sexualität stören und ihre subversive Resignifizierung und Vervielfältigung jenseits des binären Rahmens hervorrufen.“
Zwar kann die Überschreitung von Geschlechternormen für diejenigen, die ihr Geschlecht und/oder die damit verbundenen Erwartungen der Gesellschaft ablehnen, eine befreiende Perspektive sein, doch tragen solche Aktionen in keiner Weise dazu bei, die Organisationsstruktur der Gesellschaft als Ganzes in Frage zu stellen.
Die Aufteilung der Gesellschaft in zwei Geschlechter (genders) ist eine soziale Tatsache, die ebenso real ist wie die biologische Unterscheidung zwischen Geschlechtern (sexes). Sie ist nicht das Produkt von Vorstellungen, sondern einer historisch gewachsenen Institution, die durch materielle Zwänge und bürgerliche Klasseninteressen aufrechterhalten wird. Das soll nicht heißen, dass patriarchalische Verhältnisse von Dauer sein müssen. Aber um mit Geschlechternormen Schluss zu machen, ist es letztlich notwendig, die Gesellschaft zu verändern, nicht die eigene Identität.
Man kann den Kapitalismus hassen und in einer Kommune im Wald leben, aber das ändert nichts daran, dass der Kapitalismus weiter besteht. Genauso kann man sich als nicht-binär, nicht genderkonform oder sonst wie bezeichnen, aber das ändert nichts daran, dass die Gesellschaft (außer in sehr isolierten kleinbürgerlichen Kreisen) die Menschen weiterhin in ein binäres Geschlechtsmuster einordnet. Menschen, die für sich persönlich solche Normen ablehnen, marginalisieren sich in der Gesellschaft; sie verändern sie damit nicht.
Pro-Transgender-„Marxisten“
Der Marxismus als revolutionäre Lehre wurde im 19. Jahrhundert in direkter Opposition zu dem entwickelt, was damals als „utopischer Sozialismus“ bezeichnet wurde. Utopische Sozialisten ersannen verschiedene Pläne zur Überwindung des Kapitalismus durch eine Veränderung des kollektiven Bewusstseins oder durch den Entwurf idealer Mikro-Gesellschaften. Im Gegensatz dazu erkannten Marx und Engels mit der von ihnen entwickelten Lehre des wissenschaftlichen Sozialismus die Kräfte und die Dynamik innerhalb des Kapitalismus, die das Potenzial haben, die bestehende Klassenstruktur zu stürzen und die Grundlage zur Entfaltung einer egalitären Gesellschaft zu schaffen. Die treibende Kraft für diese Revolution war nicht eine Reihe von Idealen, sondern die Interessen einer Klasse, des Proletariats.
Das ist das ABC für jeden Marxisten. Folglich kritisieren viele Marxisten die postmoderne Gendertheorie als idealistisch. Diejenigen, die für die Transgender-Bewegung sind, tun das jedoch nur halbherzig und verbreiten dabei genau die Illusionen, gegen die sie angeblich ankämpfen. In dem Bemühen, sich nicht von der Bewegung zu „entfremden“, lösen sie das marxistische Programm in einen liberalen Allerweltsidealismus auf. Das desorientiert nicht nur radikale Kämpfer für Transgender-Rechte, sondern erleichtert es auch Reaktionären, die Bewegung als reines Produkt des Idealismus anzugreifen.
Ein deutliches Beispiel für eine solche Beschwichtigung findet sich in der oben erwähnten SWP-Broschüre:
„Geschlecht lässt sich in zwei breite Aspekte unterteilen. Erstens ist Geschlecht etwas Äußerliches. Es basiert auf der Wahrnehmung der uns von der Gesellschaft vorgegebenen Geschlechterrollen, so wie wir handeln, uns kleiden, uns verhalten und sprechen. Zweitens ist es auch ein inneres Selbstgefühl, unsere Geschlechtsidentität. Es ist ein tiefes Gefühl des Einzelnen, und jeder sollte sie so zum Ausdruck bringen können, wie er möchte.“
Hier bringt die SWP alles durcheinander. Einerseits stellt sie das Geschlecht als soziales Merkmal dar, das allerdings nur lose definiert ist. Gleichzeitig stellt sie das Geschlecht als ein persönliches „Selbstgefühl“ dar, was für eine völlig idealistische und sogar religiöse Interpretation offen ist. Und schließlich äußert sie den Wunsch, dass man das eigene persönliche Verlangen so zum Ausdruck bringen kann, wie man will.
Im Grunde verschleiert die SWP mit ihrer Definition die Tatsache, dass das Geschlecht ein Produkt sozialer Beziehungen und nicht der eigenen Gedanken ist. Nur wenn das innere Verlangen, das Geschlecht zu wechseln, in Wechselwirkung mit anderen Menschen tritt, kann es tatsächlich verwirklicht werden. Zudem heißt es noch lange nicht, dass man mit der Identität, die man haben will, auch von der Gesellschaft akzeptiert wird. Darauf beruht die Transgender-Unterdrückung. Schon auf den ersten Blick ist das offensichtlich, und Transmenschen wissen das besser als jeder andere. Es besteht ein großer Unterschied zwischen einer „passing“ Transgender-Person auf der einen Seite und einer „nicht-passing“ Transgender-Person oder einer nicht-binären Person auf der anderen Seite.
Die SWP und Pro-LGBTQ+-Liberale halten es wahrscheinlich für eine Beleidigung und für eine Kapitulation vor dem transfeindlichen Diskurs, wenn man das Geschlecht nur als ein Produkt sozialer Beziehungen definiert. Aber es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass der Kapitalismus es den meisten Transmenschen nicht erlaubt, sich mit der von ihnen gewählten Geschlechtszugehörigkeit in die Gesellschaft zu integrieren. Und er wird niemals zulassen, dass außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit irgendjemand gesellschaftlich akzeptiert wird. Dies anzuerkennen ist keine Kapitulation vor der Rechten. Damit wird die Situation anerkannt, mit der wir es zu tun haben. Wer behauptet, das eigene „innere Selbstgefühl“ führe automatisch zu einer anderen sozialen Realität, ist kein guter Verbündeter, sondern führt Transgender-Menschen auf den Holzweg – genau das, was die Liberalen seit Jahrzehnten tun.
Als Antwort auf die Unterdrückung der Transmenschen besteht die LGBTQ+-Bewegung darauf, dass man das jeweilige Geschlecht „bestätigt“. Während dies sicherlich die sozial bewusste Vorgehensweise ist, nicht zuletzt für Kommunisten, ist es völlig illusorisch zu glauben, dass „soziale Bestätigung“ an sich schon die starren Geschlechternormen der Gesellschaft niederreißen kann. Tatsächlich ist die Bestätigung des Geschlechts nie über die engen Grenzen der liberalen Intelligenz und der LGBTQ+-Subkultur hinausgekommen – eine Tatsache, die heute ganz offenkundig ist.
Dies wird jedoch von den Marxisten, die über die Transgender-Frage schreiben, überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Das zeigt sich in den „Ten Theses on the Gender Question – Revisited“ [Zehn Thesen zur Geschlechterfrage – überarbeitete Fassung], wo Genossin Roxy Hall schreibt:
„Auch wenn die Transgender-Identität an sich nicht revolutionär ist – die Waffe der Kritik wird niemals die Kritik der Waffen ersetzen –, sollten wir doch alle ermutigen, auf ihre eigene Weise gegen die uns aufgezwungenen Geschlechterhierarchien zu rebellieren. Wäre es nicht vorteilhaft, wenn sich alle möglichen Menschen den Geschlechternormen widersetzen, die symbolische Verknüpfung zwischen Geschlechtsmerkmalen und Geschlechterrollen aufbrechen und auf mutige und unkonventionelle Weise leben? Sicherlich wird der Prozess der Abschaffung des Geschlechts zunächst als eine Explosion unterschiedlicher Lebensweisen in Erscheinung treten.“ (thepartyist.com, 2. Juni 2024)
Nein, wenn alle „auf mutige und unkonventionelle Weise leben“, wird das überhaupt nicht dazu beitragen, das Geschlecht abzuschaffen. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn man die eigene „Lebensweise“ ändert, stellt man sich gegen die konservativen Vorstellungen der Gesellschaft, ohne irgendetwas an deren Struktur zu ändern. Vor dem Hintergrund ständiger Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse, die dadurch zunehmend auf die Familienstruktur angewiesen ist, wird die politische Strategie, gegen soziale Normen zu verstoßen, nur zu einer konservativen Gegenreaktion führen. Anstatt „auf mutige und unkonventionelle Weise zu leben“, muss man vielmehr konkret aufzeigen, wie die Verteidigung der sozialen und politischen Rechte von Transmenschen für die materiellen Interessen der Arbeiterklasse Fortschritte bringt.
Ein weiterer Ausdruck der idealistischen Zugeständnisse, die von Marxisten zur Transgender-Frage gemacht werden, ist ihre fast einmütige Verinnerlichung der Vorstellung, dass die Geschlechter „bei der Geburt zugewiesen“ werden. Sowohl die SWP als auch Roxy Hall wiederholen diesen idealistischen Mythos. Mit diesem Konzept wird einmal mehr die Tatsache heruntergespielt, dass die Geschlechterbeziehungen eine objektive soziale Tatsache sind und nicht eine fehlgeleitete Vorstellung oder ein willkürliches Etikett, das Babys zugewiesen wird. Das Geschlecht eines Neugeborenen ist ebenso wenig willkürlich wie dessen Rasse, Nationalität oder Klasse. Obwohl jedes dieser Beispiele sehr unterschiedlich ist, sind sie alle das Produkt der objektiven sozialen Beziehungen, in die jemand hineingeboren wird. Das bedeutet nicht, dass eine dieser Kategorien lebenslang festgelegt ist. Aber es bedeutet, dass ihre Veränderung ein in der Regel sehr schwieriger sozialer Prozess ist.
Die meisten Marxisten und LGBTQ+-Befürworter gehen an die Decke, wenn Rechte das Wechseln des Geschlechts mit dem Wechseln der Rasse vergleichen. Das klassische Beispiel dafür ist Rachel Doležal, eine als Weiße geborene Frau, die sich als Schwarze identifizierte und eine Führungsposition in der NAACP [National Association for the Advancement of Colored People] innehatte. Liberale reagieren entsetzt bei der Vorstellung, dass man sich in Amerika dafür entscheiden könnte, eine Schwarze zu werden, und damit durchkommen könnte, und denken sich alle möglichen verworrenen Gründe dafür aus, warum der Wechsel der Rasse, anders als der Wechsel des Geschlechts, moralisch verwerflich sein soll. Hinter dieser Reaktion verbirgt sich ein moralistisches Herangehen an Rassenunterdrückung – genau wie beim Wechsel des Geschlechts ist nichts grundsätzlich falsch an einem Wechsel der Rasse. Aber diese Reaktion spiegelt auch eine idealistische Sicht auf das Geschlecht wider, von dem wir glauben sollen, dass es die einzige aller sozialen Spaltungen ist, über die der Einzelne mit seinem Willen entscheidet.
Immer wieder finden wir ein ähnliches Muster. Die Transgender-Bewegung wird von Rechten, fanatischen Eiferern und Feministinnen angegriffen. Diese Angriffe stärken die starre und undurchlässige Sozialgesetzgebung, die die Geschlechterbeziehungen reglementiert. Die Pro-Transgender-Bewegung reagiert auf diese Angriffe damit, dass sie versucht, das Recht und die Möglichkeit Einzelner zu verteidigen, das Geschlecht zu wechseln. Doch bei diesem gerechten Kampf stützt sie sich auf idealistische Geschlechtertheorien, mit denen sie die Gegenreaktion nur noch verstärkt und die Isolation von Transmenschen noch weiter verfestigt.
Dazu kommt noch eine kräftige Dosis von liberalem Moralismus: Sei nett, tolerant, aufgeklärt, dir deiner Privilegien bewusst usw. usf. Diese Strategie hatte einen gewissen Erfolg, als sie von der mächtigsten Bourgeoisie der Welt aufgegriffen wurde. Doch nun, da sich die USA abrupt gegen den Liberalismus gewandt haben und Amazon, Facebook und J. P. Morgan ihre Programme für Diversität, Gleichstellung und Inklusion (DEI) und den woken Kapitalismus über Bord werfen, hat die Transgender-Bewegung das Nachsehen und wird von all jenen angefeindet, die es satthaben, leere Moralpredigten hören zu müssen, während sich ihr Leben verschlechtert.
Marxisten müssen die Falschheit der idealistischen Vorstellungen der LGBTQ+-Bewegung deshalb aufdecken, weil diese es völlig unmöglich machen, eine wirkliche Gegenwehr zur Verteidigung von Transmenschen und Personen aus jeder anderen sexuell nicht konformen Kategorie zu organisieren. Die Transgender-Bewegung kann es sich nicht leisten, an den Mythen und Illusionen festzuhalten, die sie in ihre exponierte und verletzliche Lage gebracht haben. Es ist wichtiger denn je, dass sie ein revolutionäres und materialistisches Programm für die Transgender-Befreiung annimmt.
Dritter Teil: Ein marxistisches Programm für den Kampf gegen die Reaktion
In seinem Artikel „Über das Verhältnis der Arbeiterpartei zur Religion“ von 1909 argumentiert Lenin wie folgt:
„Keine Aufklärungsschrift wird die Religion aus den Massen austreiben, die, niedergedrückt durch die kapitalistische Zwangsarbeit, von den blind waltenden, zerstörerischen Kräften des Kapitalismus abhängig bleiben, solange diese Massen nicht selbst gelernt haben werden, diese Wurzel der Religion, die Herrschaft des Kapitals in all ihren Formen vereint, organisiert, planmäßig, bewusst zu bekämpfen.
Folgt daraus etwa, dass eine Aufklärungsschrift gegen die Religion schädlich oder überflüssig wäre? Keineswegs. Daraus ergibt sich etwas ganz anderes. Daraus folgt, dass die atheistische Propaganda der Sozialdemokratie ihrer Hauptaufgabe untergeordnet sein muss: der Entfaltung des Klassenkampfes der ausgebeuteten Massen gegen die Ausbeuter.“
Dieser grundlegende Ansatz lässt sich uneingeschränkt auf Fragen der Transgender-Unterdrückung anwenden. Für Marxisten ist es unerlässlich, rückständige Vorstellungen in der Arbeiterklasse hinsichtlich der Geschlechterbeziehungen, nicht zuletzt der Frauenunterdrückung, zu bekämpfen. Aber diese Arbeit muss durch den Klassenkampf geprägt und geleitet sein.
Mit anderen Worten: Wir als Marxisten wollen, dass die politische Trennlinie in der Gesellschaft zwischen Arbeitern und Kapitalisten verläuft, nicht zwischen Pro-Transgender-Positionen und Antitrans-Positionen, zwischen woken Liberalen und rückständigen Konservativen. Das bedeutet nicht, das Thema zu begraben und sich an rückständige Vorurteile anzupassen, sondern vielmehr, die Transgender-Frage in den Vordergrund zu stellen, weil das notwendig ist, damit die Arbeiter ihre eigene Emanzipation vorantreiben können. Diese Methode anzuwenden und ein Programm für die Transgender-Befreiung zu entwickeln ist keine leichte Aufgabe, zumal in einer Zeit, in der die Transgender-Frage zu einem derartig großen Streitthema geworden ist. Dies muss konkret, für jedes Land und jeden Arbeitsplatz, geschehen, aber als allgemeine Bausteine für ein solches Programm schlagen wir die folgenden Eckpunkte vor:
1) Schmeißt die Liberalen raus
Wir müssen die Lehren aus dem katastrophalen Kurs ziehen, der Transmenschen in ihre heutige Lage gebracht hat. Die klarste und naheliegendste Lehre ist, dass die Liberalen ein absolut unzuverlässiger Bündnispartner sind, auf den man in keiner Weise zählen kann. Demokraten, britische Labour Party, Parteien der Grünen, Die Linke: Sie alle haben bewiesen, dass sie, wenn der Druck ansteigt, die Unterdrückten im Stich lassen. Es ist selbstmörderisch, zu erwarten, dass man Liberale dazu drängen kann, echte Vorkämpfer für LGBTQ+-Rechte zu sein. Ihre Karrieren im Establishment und ihre kapitalistischen Begehrlichkeiten haben immer Vorrang vor ihren sogenannten Werten.
Das heißt nicht, dass wir niemals einen Verteidigungsblock mit Liberalen eingehen oder uns an gemeinsamen Aktionen mit ihnen beteiligen können. In Zeiten rechter Offensiven und Angriffen auf demokratische Rechte sind solche Allianzen sehr wohl angebracht. Aber sie müssen in dem Bewusstsein geschlossen werden, dass Liberale kein Rückgrat haben und verräterisch sind. Letztlich muss der Zweck einer solchen Allianz darin bestehen, Basis-Aktivisten vom Liberalismus loszureißen, indem ihnen die Richtigkeit der marxistischen Strategie aufgezeigt wird. Es darf nicht darum gehen, das marxistische Programm zu liquidieren, um die Liberalen zu beschwichtigen, wie es die Pro-Transgender-Marxisten immer wieder getan haben.
2) Keine Symbolpolitik mehr
Transgender-Befreiung ist eine materielle Tat. Ihr Fortschritt lässt sich daran ermessen, inwieweit es dem Einzelnen möglich ist, sein Geschlecht zu wechseln, und inwieweit geschlechtsspezifische Spaltungen in der Gesellschaft überhaupt existieren. Vorstellungen und Bewusstsein werden sich direkt proportional zu den Veränderungen in den gesellschaftlichen Verhältnissen und Institutionen verändern. Sie werden sich nicht durch eine Kampagne für woke Ideologie ändern, in der die Menschen dafür beschimpft werden, was sie denken oder wie sie reden. Natürlich müssen wir die Menschen aufklären und Bigotterie entschieden bekämpfen – einschließlich des vorsätzlichen Missgenderns [falsche Geschlechtszuordnung]. Aber das kann nicht der einzige oder wichtigste Fokus des Kampfes sein. Statt auf Sprache und Symbole zu zielen, muss sich der Kampf darauf konzentrieren, die materiellen Bedingungen und Rechte von Transmenschen gegen die zurzeit heftigen reaktionären Angriffe zu verteidigen.
3) Keine Zugeständnisse an die bürgerliche Moral
Es ist kein Zufall, dass sich die Gegenreaktion gegen Transmenschen so sehr an der Frage von Transkindern festgebissen hat. Der traditionellen Moral zufolge sind Kinder asexuelle Wesen, die nicht in der Lage sind, über ihr eigenes Leben und ihren Körper zu entscheiden. Dementsprechend gibt es eine hysterische Kampagne gegen Pubertätsblocker und jede Art von geschlechtsangleichender Betreuung für diejenigen, die von Rechts wegen als minderjährig gelten. Als Folge dieser Kampagne werden Transmenschen als sexuell Degenerierte und als Groomer [Pädokriminelle] verleumdet, während ihren Unterstützern im medizinischen Bereich Kindesmissbrauch, Verletzung der Berufspflicht und sogar „Verstümmelung“ vorgeworfen werden.
Als Reaktion auf derartige ekelhafte und marktschreierische Angriffe wächst der Druck, sich möglichst an die traditionellen Sexualnormen und Werte anzupassen. Zum Beispiel machen viele, die behaupten transgender-freundlich zu sein, das Zugeständnis, dass Kindern vor der Volljährigkeit keine Möglichkeit zur Umwandlung gegeben werden sollte. Dies ist eine absolute Sackgasse. Solche Zugeständnisse tragen überhaupt nicht dazu bei, die Gegenreaktion einzudämmen, und öffnen außerdem einem weiteren Abbau von Transgender-Rechten Tür und Tor.
Zugeständnisse an die bürgerliche Moral führen die LGBTQ+-Bewegung aufs Glatteis. Jegliches Zugeständnis, das dem Einzelnen das Recht abspricht, über den eigenen Körper und die eigene Sexualität zu bestimmen, bedeutet, der Bewegung den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Damit wird die Entscheidungsgewalt an die Familie, den Staat und die Religion abgetreten – genau die Institutionen, die für die Unterdrückung von Kindern, Frauen und Transmenschen verantwortlich sind.
4) Wendet euch an die unterdrückten religiösen Minderheiten
Unterdrückte Minderheiten, insbesondere Muslime im Westen, sind nicht die erste Adresse, wo die meisten Transgender-Aktivisten nach Verbündeten suchen würden. Während praktizierende Muslime in Fragen der Sexualität oft sehr konservativ sein können, sind sie in vielen Ländern auch eine der am stärksten unterdrückten und verfolgten Gruppen. Muslime geraten ebenso wie Transmenschen immer mehr in die Isolation und ins Visier des Staates. Im Gegensatz zu den Liberalen, die sich eifrig beim neuen sozialkonservativen Status quo einzureihen versuchen, wird den Muslimen diese Möglichkeit weitgehend verwehrt.
Es besteht eine objektive Grundlage für ein Bündnis mit ihnen bei der Verteidigung grundlegender demokratischer Rechte. Solche Bündnisse sind jedoch nur möglich, wenn das, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, gegenüber den gemeinsamen Interessen beider Gruppen eine untergeordnete Rolle spielt. Ein gemeinsamer Kampf wiederum würde viel dazu beitragen, die Einstellungen der Menschen auf beiden Seiten zu ändern.
5) Für gemeinsame Transgender- und Frauenbefreiung
Kein Konflikt hat dem Transgender-Kampf mehr geschadet als der mit den Feministinnen. Das liegt zum Teil an den konservativen und sektoralistischen Vorstellungen vieler Frauen. Es hat aber auch damit zu tun, auf welche Art und Weise der Mainstream der LGBTQ+-Bewegung die Transgender-Frage vorangetrieben hat. Im Bestreben, die starren Geschlechtergrenzen niederzureißen, hat die Bewegung oft die Gefühle von Frauen verletzt. So ist es dumm zu behaupten, dass die Assoziation von weiblicher Anatomie und Menstruation mit Frauen per se Transmänner ausgrenzt. Nach Jahrtausenden der Unterdrückung aufgrund ihres Körpers ist es verständlich, dass viele Frauen negativ darauf reagieren, wenn ihnen gesagt wird, dass dieser Zusammenhang nicht mehr hergestellt werden darf.
Darüber hinaus bedeutet der Gedanke, man könne Transmenschen in ausschließlich für Frauen vorgesehene Räume hineinlassen, ohne dass es zu ernsthaften sozialen Spannungen kommt, eine Missachtung der Tatsache, wie tief geschlechtsspezifische Spaltung und Unterdrückung in der Gesellschaft verwurzelt sind. Für dieses Problem kann es im Kapitalismus keine perfekte Lösung geben. Eine strikte Geschlechtertrennung aufgrund des biologischen Geschlechts ist überhaupt keine Lösung. Sie ist nicht nur unmöglich, sondern auch gefährlich und unterdrückerisch für Transmenschen. Ihnen muss der Zugang zu den geschlechtsspezifischen Einrichtungen ihrer Wahl ermöglicht werden. Aber man muss auch Vorkehrungen treffen, die konservativen Auffassungen entgegenkommen und den Wertekonflikt minimieren können.
Lösungen bestehen im Wesentlichen darin, durch Vermehrung der Ressourcen sowohl Transmenschen als auch allgemein Frauen gerecht zu werden. Eine naheliegende Lösung für den Konflikt um den Zugang von Transfrauen zu Frauenhäusern besteht darin, mehr davon zu bauen, Transfrauen den Zugang zu ermöglichen und auch Frauen, die eine strikte biologische Trennung wünschen, die Möglichkeit dazu zu bieten.
Die Verteidigung der Weiblichkeit wird derzeit vor allem als Knüppel gegen Transmenschen eingesetzt, doch der aktuelle reaktionäre Gegenschlag richtet sich auch gegen Frauen. Die Bedingungen für Frauen, LGBTQ+-Menschen und Arbeiter sind letztlich untrennbar miteinander verbunden. Alle haben ein Interesse daran, sich in einem gemeinsamen Abwehrkampf zu vereinen und umfassender für die Befreiung der Frauen, der Transmenschen und der Arbeiterklasse zu kämpfen.
6) Die Arbeiterklasse ist die entscheidende Kraft
Die Arbeiterklasse ist die einzige Klasse, die Transgender-Rechte entscheidend verteidigen kann. Nicht, weil sie der liberalste Teil der Gesellschaft ist – das ist sie nicht –, sondern weil sie ein unmittelbares Klasseninteresse daran hat, den Kapitalismus zu stürzen und eine klassenlose Gesellschaft zu errichten, in der es keine Notwendigkeit für Geschlechterunterdrückung gibt.
Grundlage für ein Bündnis zwischen Transmenschen und der Arbeiterklasse ist nicht, dass Transmenschen den Kampf gegen ihre eigene Unterdrückung aufgeben. Transgender-Unterdrückung – genau wie die Unterdrückung von Schwulen, Lesben, Frauen und rassischen Minderheiten – spaltet und schwächt die Arbeiterklasse. Nur durch den Kampf für die Befreiung jeder unterdrückten Gruppe in der Gesellschaft kann eine Einheit geschmiedet werden. Das ist kein liberales „Kumbaya“-Spiritual. Der Klebstoff für den Zusammenhalt dieser Kämpfe ist der Klassenkampf.
Dies ist kein automatischer Prozess; die verschiedenen Beweggründe müssen bewusst zusammengeführt werden. Aber der Klassenkampf bietet mit seiner eigenen Gesetzmäßigkeit und Dynamik die Bühne, auf der sich dieser Prozess abspielt. Gemeinsamer Kampf für ein gemeinsames Interesse ist die Voraussetzung für die Überwindung sozialer Rückständigkeit. Damit solche Kämpfe stattfinden können, dürfen wir keine Vorbedingungen stellen. Zum Beispiel wäre es völlig reaktionär, sich von einem Streik fernzuhalten, weil die Arbeiter in der Transgender-Frage rückständige Ansichten vertreten. Vielmehr muss man im Laufe des Kampfes zeigen, dass die Rechte von Transmenschen mit denen der Arbeiter zusammenhängen. Das wird dazu beitragen, rückständige Ansichten zu ändern.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Transgender-Bewegung keine einheitliche Bewegung ist. Zwar werden alle Transmenschen unterdrückt, aber sie haben nicht alle ein gemeinsames Interesse. Deswegen ist es wichtig, dass Transgender-Aktivisten immer die Interessen der Arbeiterklasse obenan stellen. Sie dürfen zum Beispiel nicht darauf hoffen, ihre Rechte durch DEI-Richtlinien von Unternehmen zu verteidigen.
Die Transgender-Bewegung sollte so weit wie möglich versuchen, ihren eigenen Kampf mit dem der Arbeiterklasse zu verbinden. Eine offensichtliche Möglichkeit dazu ist der Kampf um die Gesundheitsversorgung, die überall auf der Welt ein brennendes Thema ist. Die Krise im Gesundheitswesen geht Hand in Hand mit den Angriffen auf geschlechtsangleichende Versorgung und reproduktive Rechte. Es versteht sich von selbst, dass der Kampf für bessere Gesundheitsversorgung Transmenschen zugutekommt. Aber die Versorgung von Transmenschen zu einem zentralen Thema im Kampf um die Gesundheitsversorgung zu machen kann auch die Sache vorantreiben, indem Tausende von Transmenschen und ihre Familien in die breitere Bewegung hineingezogen werden.
7) Vergesst Gradualismus
Die schrittweise Reform des Kapitalismus war für Transmenschen und alle anderen geschlechtsspezifisch unterdrückten Gruppen schon immer eine Sackgasse. Egal wie viele vorübergehende Fortschritte bei der Aufweichung strenger Geschlechternormen erzielt werden können, sie geraten unweigerlich mit den Grundlagen kapitalistischer Herrschaft in Konflikt: der Familie, dem Staat und dem Profitmotiv. Die Zeit relativer Fortschritte für LGBTQ+-Menschen in der westlichen Welt ist nun vorbei, und die einzige Perspektive in der absehbaren Zukunft ist verstärkter sozialer Konservatismus. Graduelle Reform ist eine aussichtslose Perspektive. Nur der revolutionäre Kampf bietet einen Weg, gegen zunehmende Unterdrückung zu kämpfen und zur endgültigen Befreiung voranzuschreiten.
8) Baut eine revolutionäre internationale Partei auf
Der Kampf für Transgender-Befreiung hat sich in den letzten Jahren hauptsächlich auf die westliche Welt konzentriert. Doch die Transgender-Befreiung und der breitere Kampf gegen Geschlechterunterdrückung ist ein internationaler Kampf. Nirgendwo ist diese Unterdrückung heftiger als in den Ländern, die vom Imperialismus unterdrückt werden. Und nirgendwo gibt es einen fruchtbareren revolutionären Boden als bei den proletarischen Frauen dieser Länder.
Um die Verbindung zwischen der Transgender-Bewegung im Westen und dem internationalen Kampf gegen imperialistische Unterdrückung herzustellen, ist eine internationale revolutionäre Partei unabdingbar. Nur mit einem solchen Instrument kann der Kampf gegen die verschiedenen Formen der Unterdrückung zusammengeführt werden. Um eine solche Partei aufzubauen, müssen wir die politischen Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit ziehen und verstehen, wie der Liberalismus der letzten Jahrzehnte nicht nur die Transgender-Bewegung in die Irre geleitet hat, sondern auch dazu führte, dass die revolutionäre Linke zersplitterter und schwächer ist als je zuvor. Die Welt wird von Tag zu Tag reaktionärer, wir dürfen keine Zeit mit esoterischen Debatten und sektiererischer Haarspalterei verschwenden: Vorwärts zu einer wiedergeschmiedeten Vierten Internationale!
Zweifellos stellt dieser Artikel lediglich eine erste Annäherung aus marxistischer Sicht an die verschiedenen wissenschaftlichen Fragen, die gesellschaftliche Vielschichtigkeit sowie die politischen Aufgaben dar, mit denen die Transgender-Bewegung konfrontiert ist. Es gibt noch sehr viel mehr zu tun. Wir hoffen jedoch, dass unser Beitrag eine breitere Debatte und politische Klärung innerhalb der radikalen Linken und der LGBTQ+-Bewegung anstoßen kann.